Die persönliche Einkommensteuerpflicht beantwortet die Frage, WER zur Einkommensteuer heranzuziehen ist.
Ohne auf die Frage nach der Staatsangehörigkeit, der Religion, dem Alter, dem Geschlecht oder dem Status einzugehen, unterwirft das Einkommensteuergesetz alle natürliche Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland (Inland) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, der unbeschränkten, allumfassenden persönlichen Einkommensteuerpflicht.
Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit: Nicht auf die räumliche Herkunft der Einkünfte, sondern lediglich auf das individuell verfügbare Einkommen der Person wird abgestellt, das sog. Welteinkommen.
Vergleichbares gilt übrigens auch für juristische Personen oder die steuerlich wie juristische Personen zu behandelnden Körperschaftsteuersubjekte, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Diese werden zwar grundsätzlich zur Körperschaftsteuer herangezogen, die aber in weiten Teilen auf die Einkommensteuer Bezug nimmt.
Das Gesetz unterscheidet zwischen der unbeschränkten und der beschränkten persönlichen Steuerpflicht. Dies ist insbesondere wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen von Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
Unbeschränkte Steuerpflicht
Ist eine natürliche Person unbeschränkt steuerpflichtig, unterliegen alle von ihr im Inland oder Ausland erzielten Einkünfte im Sinne des § 2 EStG der Besteuerung in Deutschland; es gilt das so genannte Welteinkommensprinzip, soweit nicht für bestimmte Einkünfte hiervon abweichende Regelungen bestehen.
So können Doppelbesteuerungsabkommen oder andere zwischenstaatliche Vereinbarungen andere Regelungen vorsehen, um eine Doppelbesteuerng weitestgehend zu vermeiden.
Die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Absatz 1 EStG knüpft an das Vorliegen eines Wohnsitzes oder eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland an. Sie wird bereits dann begründet, wenn eines dieser Anknüpfungsmerkmale (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland) vorliegt.
Beschränkte Steuerpflicht
Bei einer beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person, die keinen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, unterliegen demgegenüber nur inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG der deutschen Besteuerung, § 1 Absatz 4 EStG.
Ob eine Person in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen wird (§ 1 Absatz 2 Satz 2 EStG), ist nach den Vorschriften des maßgebenden ausländischen Steuerrechts zu prüfen (BFH vom 22.2.2006 – BStBl 2007 II S. 106).
Fiktive, erweiterte und auf Antrag unbeschränkte Steuerpflicht
Für bestimmte Steuerausländer kann aufgrund ihrer Tätigkeit als Staatsbedienstete und unter weiteren Voraussetzungen die sog. erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht für deutsche Auslandsbeamte gelten oder es kann die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag (Grenzpendlerbesteuerung) gewährt werden; außerdem können die Familienangehörige beider Gruppen in den Anwendungsbereich der sog. fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht von EU- und EWR-Familienangehörige fallen.
Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht von deutschen Staatsangehörigen in besonderen Fällen
Für bestimmte Steuerausländer kann aufgrund ihrer Tätigkeit als Staatsbedienstete und unter weiteren Voraussetzungen die so genannte erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht für deutsche Auslandsbeamte gelten:
§ 1 Absatz 2 EStG erweitert die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht primär auf natürliche Personen, die weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inhalt haben, die aber bei einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts beschäftigt sind.
Dadurch sollen sie in den Genuss der einkommensteuerlichen Vergünstigungen kommen, die nur bei unbeschränkter Steuerpflicht gewährt werden (z. B. §§ 1a, 26, § 32 Absatz 6 Satz 2, § 32b Absatz 1, § 50 Absatz 1 und § 62 Absatz 1 Satz 1 EStG).
Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag
Nach § 1 Absatz 3 EStG kann eine beschränkt steuerpflichtige Person auf Antrag die Vorteile der unbeschränkten Steuerpflicht in Anspruch nehmen, wenn ihre Einkünfte mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte gering sind, also unter dem in § 32a Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 EStG normierten Grundfreibetrag liegen. Die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag ist besonders für die so geannte Grenzpendlerbesteuerung von Bedeutung.
Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht von EU-/EWR-Familienangehörigen
Außerdem können die Familienangehörigen beider Gruppen in den Anwendungsbereich der so genannte fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht von EU- und EWR-Familienangehörige fallen. Die Voraussetzungen hierfür finden sich in § 1a EStG.
Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt als Abgrenzungskriterium
Die Begriffe des Wohnsitzes (§ 8 AO) bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 9 AO) haben insbesondere Bedeutung für die Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht natürlicher Personen[1], [2].
Die Begriffe des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts stellen dabei allein auf die tatsächlichen Verhältnisse ab[3].
Die Regelung in § 8 AO definiert den steuerrechtlichen Wohnsitzbegriff, die Regelung in § 9 AO die des gewöhnlichen Aufenthalts. Beide Legaldefinitionen sind heranzuziehen, wenn die einzelnen Steuergesetze diesen Begriff nicht selbst definieren. Der Wohnsitz wie auch der gewöhnliche Aufenthalt ist damit steuerrechtlicher Anknüpfungspunkt in einer Vielzahl von Fällen. Denn auch wenn ein Steuerpflichtiger im Inland keinen Wohnsitz mehr hat, kann er hier noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben und seine persönliche Steuerpflicht im Inland begründen.
Inland und Ausland
Unter Inland[4] versteht man in Abgrenzung zum Ausland
- das staatliche Hoheitsgebiet als Grundlage unbeschränkter Steuerpflicht im Inland, § 1 Absatz 1 Satz 1 EStG. Inland In diesem Sinne ist – ohne eigene Begriffsbestimmung im EStG – das staats- und völkerrechtliche Gebiet der BRD innerhalb seiner Bundesgrenzen, d.h. der Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG). Die früheren Zollgrenzen sind nicht maßgeblich, so dass auch Zollausschlußgebiete (EU rechtlich Drittlandsgebiete), Zollfreigebiete/Freihäfen sowie exterritoriale Grundstücke wie ausländische Botschaften Inland in diesem Sinne sind. Zollanschlussgebiete oder deutsche Botschaften im Ausland sind hingegen kein Inlandin diesem Sinne. Schiffe zählen zum Inland, soweit sie unter inländischer Flagge in deutschen Gewässern oder auf hoher See fahren. Flugzeuge, soweit sie deutsche Hoheitsgebiet oder völkerrechtliches Niemandsland überfliegen.
- Ausdehnung des Inlandsbegriffes über das staatliche Hoheitsgebiet hinaus, § 1 Absatz 1 Satz 2 EStG ab 2016. Die letzte Änderung erfolgte im Rahmen des StÄndG 2015, mit dem die ertragsteuerlichen Inlandsbegriffe des EStG, KStG und GewStG für sämtliche aus dem UN-Seerechtsübereinkommen ableitbaren Besteuerungsrechte erweitert wurden. Es zählen hierzu das Küstenmeer (Art.2ff SRÜ vgl. BGBl I 94, 3428), ausschließliche Wirtschaftszone (§1 Absatz Satz 2 Nr. 1 EStG) und der Festlandsockel (§ 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 EStG)
Persönlicher Geltungsbereich
Die persönliche Steuerpflicht erfasst nur natürliche Personen. Sie beginnt mit der Vollendung der Geburt[5] und endet mit dem Tod[6]. Volljährigkeit, Handlungsfähigkeit oder Staatsangehörigkeit sind für die persönliche Steuerpflicht ohne Bedeutung. Die erzielten Einkünfte werden nach Ablauf eines Veranlagungszeitraumes im Rahmen einer persönlichen Einkommensteuerveranlagung durch das Finanzamt festgestellt (§ 149 Absatz 1 Satz 1 AO iVm §§ 25ff EStG)
Personengesellschaften (OHG, KG, GbR, Partnerschaftsgesellschaft) und Gemeinschaften sind keine eigenständigen Steuersubjekte des EStG. Steuerpflichtig sind allein die an ihnen beteiligten natürlichen Personen als Gesellschafter bzw. Gemeinschafter. Die erzielten Einkünfte werden nach Maßgabe der §§ 179ff. AO bei den jeweiligen Beteiligten einheitlich und gesondert festgestellt und ihnen unmittelbar zugerechnet. Ob bei dem jeweiligen Beteiligten die Voraussetzungen der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht erfüllt sind, wird im Veranlagungsverfahren des jeweiligen Beteiligten entschieden.
Juristische Personen (GmbH, AG, rechtsfähiger Verein) unterliegen ebenfalls nicht der Einkommensteuer, sondern nach §§ 1 und 2 KStG der Körperschaftsteuer.
Steuerinländer mit Auslandseinkünften
Im Inland ansässige Personen und Körperschaften, die im Ausland Einkünfte erzielen, können als Steuerinländer mit Auslandseinkünften bezeichnet werden. Man spricht von sog. Outboundbeziehungen.
Steuerausländer mit Inlandseinkünften
Im Ausland ansässige Steuerpflichtige, die im Inland Einkünfte erzielen, sind in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Sie werden als Steuerausländer mit Inlandseinkünften bezeichnet. Man spricht von sog. Inboundbeziehungen.
Grenzpendlerbesteuerung
Im Anschluss an die EUGH-Entscheidung „Schumacker“ (C-279/73 vom 14.02.1995, DStR 95, 326) war der Gesetzer verpflichtet, bestehende Sonderregelungen für Personen, die im Ausland wohnen, aber im Inland arbeiten, familiengerechter zu gestalten.
Die Grenzpendlerbesteuerung von so genannten Einpendlern mit Inlandseinkünften soll die subjektive Leistungsfähigkeit dieser Personen verbessern und eine Doppelbesteuerung von Einkommen durch die Veranlagung im Wohnsitzstaat einerseits und im Tätigkeitsstaat andererseits vermindern.
Zeitlicher Umfang der Steuerpflicht
In zeitlicher Hinsicht kann die Steuerpflichtlich wie folgt differenziert werden[7]:
Unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Absatz 1 EStG
Sie beginnt mit der Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland und endet mit der Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland.
Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Absatz 2 EStG
Sie beginnt mit der Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen, insbesondere der Begründung eines Dienstverhältnisses und der Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland. Sie endet mit der Begründung eines Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland oder mit der Beendigung des Dienstverhältnisses.
Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag nach § 1 Absatz 3 EStG
Sie beginnt – vorbehaltlich der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen– im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Antrags. Der entsprechende Antrag ist für jeden Veranlagungszeitraum neu zu stellen. Die Steuerpflicht endet mit Widerruf oder mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums.
Beschränkte Steuerpflicht nach § 1 Absatz 4 EStG
Die beschränkte Steuerpflicht beginnt mit dem erstmaligen Bezug der Einkünfte i. S. des § 49 EStG und endet mit ihrem Wegfall oder mit der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach den § 1 Absätzen 1 bis 3 EStG.
[1] vgl. zu § 1 EStG, § 2 ErbStG) oder für familienbezogene Entlastungen (z. B. Realsplitting nach § 10 Absatz 1a Nr. 1 EStG
[2] vgl. AEAO vor §§ 8 und 9 AO, AEAO zu § 8 AO (Wohnsitz) bzw. zu § 9 AO (gewöhnlicher Aufenthalt)
[3] BFH-Urteil vom 10.11.1978, VI R 127/76, BStBl 1979 II S. 335
[4] „Inland“ Heinicke in Schmidt/EStG 2023, Tz. 30ff
[5] Vollständige Trennung des Kindes vom Mutterleib auf natürlichem oder künstlichem Wege, vgl. Spickhoff in Münchener Kommentar zum BGB, § 1 BGB Rz. 18.
[6] Hinsichtlich des Todes wird in Anlehnung an das Transplantationsgesetz v. 5.11.1997 (BGBl 1997 I 2631) auf den Hirntod abgestellt, vgl. Spickhoff in Münchener Kommentar zum BGB, § 1 BGB Rz. 25.
[7] Rauch in Brandis/Heuermann, § 1 EStG Rz 85 ff.; Heß in Lademann, §1 EStG Rz. 20 ff.
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