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Das „neue“ Nachweisgesetz: Sind alle Arbeitsverträge noch aktuell?

Die neue EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie 2019/1152 vom 20. Juni 2019 über „transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union“ trat an die Stelle der alten Richtlinie und wurde in nationales Recht im „neuen“ Nachweisgesetz (NachwG) mit Wirkung zum 1. August 2022 umgesetzt.

Die Arbeitsbedingungenrichtlinie verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird.

Quelle: Deutscher Bundestag, DrS 20/2392 vom 22.06.2022

Mit dem „alten“ Nachweisgesetz (Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen, NachwG) hatte der Gesetzgeber die EU-Richtlinie 91/533/EWG vom 14. Oktober 1991 in nationales Recht umgesetzt. Es wurde mit Wirkung vom 1. August 2022 aufgehoben.

Was regelte das Nachweisgesetz bis Juli 2022?

Schon das bisherige Nachweisgesetz regelte, dass der Arbeitgeber die wichtigsten Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen hatte und die Documentation dem Arbeitnehmer aushändigen musste.

Hierfür galt bislang eine Monatsfrist nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Dies betraf folgende Punkte:

  • Name und Anschrift der Vertragsparteien
  • Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  • Dauer des Arbeitsverhältnisses bei Befristung
  • Arbeitsort
  • Bezeichnung oder Beschreibung der Tätigkeit
  • Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts
  • Arbeitszeit
  • Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  • Kündigungsfristen
  • Allgemeiner Hinweis auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind.

Welche gilt ab August 2022?

Arbeitgeber müssen seit Einführung des „neuenNachweisgesetzes (NachwG) bei Einstellungen von Mitarbeitern mehr Informationen geben als dies bisher notwendig war.

Schriftformerfordernis der Niederschrift

Der Arbeitgeber hat nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des § 2 Abs. 1 Satz 4 NachwG schriftlich (§ 126 BGB) niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.

Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form (§ 126a BGB) ist übrigens nach § 2 Abs. 1 Satz 3 ausgeschlossen.

Mindestinhalte der Niederschrift

§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 15 regelt die Mindestinhalte der anzufertigenden Niederschrift:

  1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
  2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
  3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
  4. der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
  5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
  6. sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
  7. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
  8. die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
  9. bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
    • die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
    • die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
    • der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
    • die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
  10. sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
  11. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
  12. ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
  13. wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
  14. das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,
  15. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

Einhaltung von Fristen

Dem Arbeitnehmer ist die Niederschrift mit den Angaben nach § 1 Satz 4 NachweisG

  • für Nummer 1, 7 und 8 spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung,
  • für Nummer 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und
  • für Nummer 11, 12, 13, 14 und 15 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses

auszuhändigen.

Für wen gelten die neuen Pflichten ab August 2022?

Das „neue“ Nachweisgesetz (NachwG) verpflichtet Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsvertrages innerhalb der gesetzlichen Pflicht aufzuzeichnen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen (§ 2 Abs. 1 NachwG).

Schutz für Arbeitnehmer

Dieses Gesetz gilt für alle Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 1 NachwG). Praktikanten, die gemäß § 22 Abs. 1 des Mindestlohngesetzes (MiLoG) als Arbeitnehmer gelten, sind Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes.

Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden!

Quelle: § 6 NachwG

Besonderheit bei Praktikanten

Wer einen Praktikanten einstellt, hat unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen, § 1 Abs. 1a NachwG.

 In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:

  1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
  2. die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele,
  3. Beginn und Dauer des Praktikums,
  4. Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit,
  5. Zahlung und Höhe der Vergütung,
  6. Dauer des Urlaubs,
  7. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind.

Auch hier ist der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form (§ 126a BGB) nach § 2 Abs. 1a Satz 3 iVm mit Abs. 1 Satz 3 NachwG ausgeschlossen.

Besonderheit bei Arbeitnehmern im Auslandseinsatz

Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland (Ausland) zu erbringen, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise die Niederschrift nach § 1 Abs. 1 Satz 1 NachwG mit allen wesentlichen Angaben nach § 1 Abs. 1 Satz 2 NachwG und folgenden zusätzlichen Angaben gemäß § 1 Abs. 2 NachwG auszuhändigen:

  1. das Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, und die geplante Dauer der Arbeit,
  2. die Währung, in der die Entlohnung erfolgt,
  3. sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten,
  4. die Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr.

Bei der Entsendung eines Arbeitnehmers muss die Niederschrift nach § 1 Abs. 1 Satz 1 NachwG neben den Angaben nach § 1 Abs. 2 auch folgende zusätzliche Angaben nach § 1 Abs. 3 NachwG enthalten:

  1. die Entlohnung, auf die der Arbeitnehmer nach dem Recht des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten, in dem oder in denen der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, Anspruch hat,
  2. den Link zu der einzigen offiziellen nationalen Website, die der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, betreibt.

Was gilt bei Neueinstellungen ab dem 1. August 2022?

Die neuen Pflichten gelten bei Neueinstellungen ab dem 1. August 2022. 

  • Im Gegensatz zur früheren Regelung muss aber bereits am ersten Arbeitstag dem Arbeitnehmer die Niederschrift mit den Informationen über den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, das Arbeitsentgelt und seine Zusammensetzung sowie über die Arbeitszeit vorliegen.
  • Die weiteren Nachweise müssen spätestens in sieben Kalendertagen bzw. einen Monat nach Aufnahme der Tätigkeit nachgereicht werden.

Was gilt für Beschäftigte, die vor dem 1. August 2022 eingestellt wurden?

Beschäftigte, die vor dem 1. August 2022 eingestellt wurden, haben ein Anrecht darauf, schriftlich über die wesentlichen Arbeitsbedingungen gemäß § 5 NachwG unterrichtet zu werden:

  • Wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber dazu auffordert, muss dieser innerhalb einer Frist von sieben Tagen seinen Arbeitnehmer schriftlich über die wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichten.
  • Informationen über den Urlaub, die betriebliche Altersversorgung, die Pflichtfortbildung, das Kündigungsverfahren und geltende Kollektivvereinbarungen müssen spätestens innerhalb eines Monats bereitgestellt werden.

Was passiert, wenn sich die Arbeitsbedingungen später verändern?

Bei späteren Änderungen der wesentlichen Arbeitsbedingungen in bestehenden Arbeitsverhältnissen muss der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer spätestens am Tag der Änderung unterrichtet haben (§ 3 NachwG).

Gesetzesänderungen oder Änderungen in Tarifverträgen oder Betriebs- oder Dienstvereinbarungen müssen weiterhin nicht schriftlich angezeigt werden.

Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten

Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 4 NachwG folgende Erleichterungen der Dokumentationspflichten vorgesehen:

  • Die Angaben nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nummer 6 bis 8 und 10 bis 14 NachwG können ersetzt werden durch einen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
  • Ist in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nummer 11 und 14 die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend, so kann hierauf verwiesen werden.
  • Die Angaben nach § 1 Abs. 2 Nummer 2 und Absatz 3 Nummer 1 NachwG können ersetzt werden durch einen Hinweis auf konkrete Bestimmungen der einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Satzungen oder Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

Wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, entfällt die Verpflichtung nach den § 1 Abs. 1, 2 und 3 NachwG, soweit der Vertrag die in den § 1 Abs. 1 bis 4 NachwG geforderten Angaben enthält.

Quelle: § 1 Abs. 5 NachwG

Welche Sanktionen gelten bei Verstößen gegen das Nachweisgesetz?

Bei Verstößen droht ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro (§ 4 NachwG).

Die Bundesregierung lehnte allerdings die Forderung des Bundesrates ab, wonach die Behörden der Zollverwaltung für die Überprüfung der schriftlichen Nachweise nach dem Nachweisgesetz (NachwG) zuständig sein sollen.

„Die Behörden der Zollverwaltung haben dagegen nicht die Aufgabe, das NachwG zu kontrollieren und zu sanktionieren. Die Kontrolle des NachwG dient der Transparenz im Arbeitsverhältnis und nicht der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung. Zudem liegt ein Schwerpunkt der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung auf der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der organisierten Formen von Schwarzarbeit und nicht auf der bloßen Verfolgung von individualrechtlichen Nachweisverstößen“.

Quelle: Die Bundesregierung DrS 20/2245 vom 15.06.2022 zu DrS 20/1636

Nach Auffassung der Bundesregierung sei sachlich zuständig für die Kontrolle des Nachweisgesetzes die fachlich zuständige oberste Landesbehörde.

Fazit: Auf den ersten Blick verwundert es, dass Arbeitgeber zum Schutz ihrer Arbeitnehmer im Zeitalter von Digitalisierung nach dem Nachweisgesetz immer noch gehalten sind, Niederschriften über die Vereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern anzufertigen, diese zu unterzeichnen und dem jeweiligen Arbeitnehmer auszuhändigen.

Andererseits wissen alle Entgeltabrechner aus ihrem Tagesgeschäft, wie mühsam die Beschaffung von Informationen ist, wenn erforderliche Angaben und Informationen fehlen.

Insofern verwundert es also nicht, dass der Gesetzgeber schriftliche Dokumentationen hierüber vom Arbeitgeber verlangt und ihn von dieser Pflicht erst befreit, wenn und soweit die in Nachweisgesetz geforderten Angaben sämtlich im schriftlichen Arbeitsvertrag enthalten sind.

Es bleibt zu wünschen, dass das Nachweisgesetz Arbeitgebern dazu dient, „alte“ Arbeitsverträge zu überprüfen und Musterverträge zu aktualisieren. Außerdem sollten Arbeitsverträge nur dann zu den Personalakten genommen werden, wenn sie von beiden Seiten unterschrieben und also zivilrechtlich wirksam zustande gekommen sind.


Kommentare

Eine Antwort zu „Das „neue“ Nachweisgesetz: Sind alle Arbeitsverträge noch aktuell?“

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