Blauer Fragesticker: "Welche Systematik steckt hinter der Ermittlung von Einkünften?" auf grünem Steuerformular

Welche Systematik steckt hinter der Ermittlung von Einkünften?

Die Ermittlung der Einkünfte steht an, wenn feststeht, wer zur Einkommensteuer herangezogen wird (-> persönliche Einkommensteuerpflicht) und in welchem Umfang die Einkünfte der Besteuerung unterliegen (-> sachliche Einkommensteuerpflicht).

Die Art der Einkünfte bestimmt unter anderem die Art der Einkünfteermittlung. Es müssen zudem objektive und subjektive Tatbestände der Einkünfteerzielung zusammentreffen und die Einkünfte müssen dem Steuerpflichtigen auch zugerechnet und klar voneinander abgegrenzt werden können.

Aus dieser Systematik lassen sich weitere Zusammenhänge für die Besteuerung von Unternehmen ableiten, daher ist das Grundverständnis für die Einordnung und Abgrenzung der Einkünfte so wichtig, um keine teuren Fehler zu machen.

Einordnung der Einkünfte

Auch die Ermittlung der Einkünfte ist gesetzlich geregelt. So unterscheidet der Gesetzgeber nach § 2 Absatz 2 EStG grundsätzlich zwischen den so genannten Gewinn– und Überschuss-Einkunftsarten.

Bei folgenden Einkunftsarten erfolgt die Gewinnermittlung nach den Bestimmungen in §§ 4 bis 7k und 13a EStG:

  • Land- und Forstwirtschaft
  • Gewerbebetrieb und
  • selbständiger Arbeit der Gewinn


Bei folgenden Einkunftsarten wird der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a EStG) ermittelt:

  • Nichtselbständige Arbeit
  • Vermietung und Verpachtung
  • sonstige Einkünfteim Sinne des § 22 EStG

Ausnahme: Ermittlung der Kapitaleinkünfte

Die Ermittlung der Einkünften aus Kapitalvermögen wurde ab 2009 anders geregelt. Hier tritt § 20 Absatz 9 vorbehaltlich der Regelung in § 32d Absatz 2 an die Stelle der §§ 9 und 9a EStG.

Das bedeutet, dass aus Vereinfachungsgründen anstelle der nachgewiesenen tatsächlichen Werbungskosten nur ein so genannter Sparer-Pauschbetrag von den Einnahmen abgezogen werden darf. Der verbleibende Betrag wird dann pauschal der so genannten Abgeltungssteuer unterworfen (§ 32d Absatz 1 EStG).

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist als Werbungskosten ein Betrag von 1 000 Euro abzuziehen (Sparer-Pauschbetrag); der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen. Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, wird ein gemeinsamer Sparer-Pauschbetrag von 2 000 Euro gewährt.

§ 20 Absatz 9 EStG

Ausnahmen hierzu sind in § 32d Absatz 2 EStG aufgeführt.

Verfassungsrechtliche Maßstäbe

Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für das Einkommensteuerrecht ergeben sich aus einzelnen Grundrechten, aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Regelungen des Grundgesetzes über das Finanzwesen (Artikel 104a ff GG) [1].

Hauptmaßstab ist der Gleichheitssatz des Artikel 3 Grundgesetz (GG), der dem Gesetzgeber gebietet, Wesentliches gleich, Unwesentliches ungleich zu behandeln.

BverfG 2 BVL 22/14 vom 19. November 2019 [2]

Eine spezielle Ausprägung der des Artikel 3 GG enthält Artikel 6 GG.

Die Steuerbelastung fällt auch in den Schutzbereich des Artikel 14 GG; allerdings bildet der sogenannte Halbteilungsgrundsatz keine Belastungsobergrenze [3].

Die Besteuerung unterhalb der Schwelle der „Erdrosselung“ stellt nur eine Konkretisierung des Inhalts und der Schranken des Artikel 14 Grundgesetz dar, entscheidend ist aber nach Auffassung des Gerichts der Aspekt einer angemessenen Lastenverteilung.

Denn allein aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip im engeren Sinne, im Rahmen einer Gesamtabwägung zur Angemessenheit und Zumutbarkeit der Steuerbelastung, können sich Obergrenzen für eine Steuerbelastung ergeben.

Die Intensität der Steuerbelastung insbesondere bei der Einkommensteuer wird nicht allein durch die Höhe des Steuersatzes bestimmt, sondern erst durch die Relation zwischen Steuersatz und Bemessungsgrundlage.

  • Je breiter die Bemessungsgrundlage ausgestaltet ist, desto belastender wirkt sich derselbe Steuersatz für die Steuerpflichtigen aus.
  • Entsprechend wirkt derselbe Steuersatz desto weniger belastend, je schmaler die Bemessungsgrundlage ausfällt.

Konkretisiert [4] werden werden Artikel 2, 3, 14 GG als steuerverfassungsrechtliche Maßstäbe durch das Gebot

  • der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit
  • der Besteuerung nach der horizontalen und vertikalen Steuergerechtigkeit
  • der Besteuerung objektive und subjektive Nettoprinzip
  • Gebot der Folgerichtigkeit

Der Gesetzgeber hat im Steuerrecht prinzipiell einen weiten Entscheidungsspielraum. Er ist berechtigt, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen und ist zur Vereinfachung und Typisierung befugt. Steuergesetze müssen außerdem den rechtsstaatlich-verfassungsrechtlichen Geboten genügen. Dies äußert sich unter anderem im

  • Gebot der Normenklarheit
  • Rückwirkungsverbot
  • Datenschutz.

Nichtsteuerbare Vermögensmehrungen

Das Einkommensteuergesetz erfasst steuerbare Leistungen [5].

Bezüge (Einnahmen/Erträge), die außerhalb der gesetzlichen Einkunftsart anfallen, sind nicht steuerbar. Bisher wurde die private Vermögenssphäre nur ausnahmsweise erfasst. Das hat sich nach Einführung der Abgeltungssteuer für private Kapitalerträge (2009) völlig geändert. Ähnliches gilt seit der Einführung der nachgelagerten Rentenbesteuerung (2005).

Sittenwidrigkeit oder Strafbarkeit eines auf Vermögensmehrung gerichteten Verhaltens schließen die Steuerbarkeit nicht aus.

Keine steuerbaren Einkünfte sind zum Beispiel

  • Erbschaften,
  • Schenkungen,
  • Aussteuern,
  • Ehrenpreise,
  • Einkünfte aus Spiel und Wette,
  • Erlöse aus den Veräußerungen von (nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden) Gegenständen des Privatvermögens, soweit nicht die Voraussetzungen der §§ 17, 23 EStG erfüllt sind,
  • Schadenersatzleistungen für private Schäden.

Veranlassungszusammenhang

Einnahmen und Ausgaben müssen durch eine einkunftserzielende Tätigkeit veranlasst sein. Entscheidend ist nicht eine kausale Verursachung, sondern ein normativer Sachzusammenhang [6].

Nichtabziehbare Vermögensminderungen

Grundsätzlich nicht abziehbar sind Einkommensverwendungen, auch wenn sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Gemeint sind hier zum Beispiel Aufwendungen im Rahmen der familiären Haushaltsgemeinschaft.

Allerdings sieht das Einkommensteuergesetz außerhalb der Einkünfteermittlung insoweit die Möglichkeit der Einkommensminderung durch Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen vor [7].

Sachliche Steuerbefreiungen

Insoweit Einnahmen und Einkünfte aus sachlichen Gründen von der Steuer befreit sind (z.B. § 3 EStG), sind sie bei den steuerbaren Einkünften nicht anzusetzen. Sie gehören in der Regel auch nicht zum Gewerbeertrag des § 7 Gewerbesteuergesetzes. Damit zusammenhängende Aufwendungen dürfen die steuerpflichtigen Einkünfte jedoch nicht mindern (§ 3c EStG) [8].

Tatbestand der Einkünfteerzielung

Wer den Tatbestand verwirklicht, an den das Einkommensteuergesetz die Entstehung der Steuer knüpft (Tatbestand der Einkünfteerzielung), erzielt Einkünfte und hat sie zu versteuern [9].

Der Tatbestand der Einkommensteuer setzt sich zusammen aus

  • Steuersubjekt,
  • Steuerobjekt (= Einkünfte),
  • Zurechnung der Einkünfte,
  • Inlandsbezug,
  • Bemessungsgrundlage und
  • Steuersatz (Tarif).

Steuerrecht ist objektives Lastenverteilungsrecht, subjektive Absichten und Einschätzungen sind grundsätzlich irrelevant.

Steuerobjekt ist die einzelne Einkommensquelle, die sich nach dem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang einer Sache oder Sachgesamtheit bestimmt.

Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand „Einkünfteerzielung“ setzt sowohl bei den Gewinneinkünften als auch bei den Überschusseinkünften eine wirtschaftliche, auf Vermögensmehrung gerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen voraus.

Diese zielgerichtete Tätigkeit muss auf die Erwirtschaftung eines Vermögenszuwachses – über die gesamte Dauer der Tätigkeit betrachtet – gerichtet sein.

Ist dementsprechend ein Totalgewinn wahrscheinlich, ist dies ein gewichtiges Indiz einer Einkünfteerziehungsabsicht.

Für die Totalerfolgsprognose ist nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung auf den jeweiligen Steuerpflichtigen und auf die voraussichtliche Gesamtdauer der Betätigung abzustellen.

Ob objekt- oder subjektbezogen zu prognostizieren ist, hängt von der jeweiligen Einkunftsart ab.

Bei der Prognose ist nicht nur auf die Verhältnisse des jeweiligen Veranlagungszeitraums abzustellen; auch spätere Erkenntnisse, zum Beispiel im Klageverfahren, sind zu berücksichtigen, gegebenenfalls auch rückwirkende Ereignisse.

Die Einkommenserzielung ist insoweit objektiv zu bestimmen.

Subjektiver Tatbestand der Einkünfteerzielung

Die Einkunfts-/Gewinnerzielungsabsicht wird gemeinhin als subjektiver Tatbestand verstanden. Eine „innereAbsicht ist schwer zu beweisen, daher werden vielfach „äußerlich“ erkennbare Handlungen und objektive Tatsachen als Indiz herangezogen, um von diesen nach außen erkennbaren Handlungen auf die inneren Absichten und Beweggründe schließen zu können.

Diese Frage nach dem Vorliegen des subjektiven Tatbestands ist insbesondere in den Fällen von Bedeutung, in denen die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen die Einkunfts-/Gewinnerzielungsabsicht abspricht und ihm – einkommensteuerlich irrelevant – „steuerliche Liebhaberei“ unterstellt.

Steuerliche Liebhaberei

Einkünfte (Gewinn oder Verlust) aus Gewerbebetrieb kann nur erzielen, wer in der Absicht – mindestens Nebenabsicht – tätig ist, Gewinn zu erzielen.

Einkünfte aus Liebhaberei oder gemeinnütziger Tätigkeit sind daher nicht steuerbar.

Der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt der sogenannten zweigliedrige Liebhabereibegriff zugrunde, den das Bundesverfassungsgericht akzeptiert:

  • Objektiv: Negative Ergebnisprognose
  • Subjektiv: Ausübung der Tätigkeit aus persönlichen Neigungen.

Anmerkung: Im gewerblichen Grundstückshandel kann dies existenzbedrohende Auswirkungen haben, wenn erst nach Ablauf einer ganzen Dekade die bis dato unterstellte Gewerblichkeit vom Finanzamt in Zweifel gezogen wird.


Entstehung der Steuer

Die Einkommensteuer entsteht grundsätzlich veranlagungstechnisch erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes. Die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Erzielung von Einkünften sind in den § 2 und §§ 13 bis 24, § 32d EStG festgelegt (§ 2 Absatz 2 Satz 2 EStG).

Zeitraum für die Einkünfteermittlung

Der für die Beurteilung maßgebliche Zeitraum, der für die Ermittlung und Einordnung der Einkünfte zu beachten ist, geht häufig über den Besteuerungsabschnitt hinaus. Denn ein Totalgewinn lässt sich häufig erst nach Ablauf mehrerer Veranlagungszeiträume ermitteln.

Zurechnung der Einkünfte

Nur die selbst erzielten Einnahmen und der selbst geleistete Aufwand können einem Steuerpflichtigen zugerechnet werden (Subjektsteuerprinzip) [10]. Drittaufwand ist hingegen nicht abziehbar. Bei Nutzungsüberlassungen hängt die Zurechnung insbesondere von der jeweiligen Vertragsgestaltung ab.

Die Tatbestandsverwirklichung – „selbsterzielte Einnahmen oder geleistete Aufwendungen – bestimmt daher die persönliche Zurechnung der Einkünfte (objektives Nettoprinzip).


Hinweis: Das gilt prinzipiell auch für nahe Angehörigen und für Ehegatten oder Lebenspartner. Nach dem Tod des Erblassers erzielen allein die Erben Einkünfte. Auch bei Rechtsnachfolge gilt also der Grundsatz der Individualbesteuerung.


Eigene Aufwendungen

Grundsätzlich können nur selbst getragene Aufwendungen abgesetzt werden.

Drittaufwand

Drittaufwand, insbesondere Nutzungsaufwand, ist grundsätzlich nicht abziehbar, weil der von einem Ditten getragene Aufwand den Steuerpflichtigen nicht belastet, also seine Leistungsfähigkeit nicht mindert.

Nutzungsüberlassung

Entscheidend ist, wer den Tatbestand der Einkunftserzielung verwirklicht. Die Einkünfteerzielung kraft Nießbrauch setzt das Auftreten des Nießbrauchers gegenüber dem Vertragspartner voraus. Der Vorbehaltsnießbraucher kann die Abschreibung fortsetzen, nicht aber der (unentgeltliche) Zuwendungsnießbraucher.

Abgrenzung der Einkünfte

Von der Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart hängen unter anderem die

  • Art der Gewinnermittlung,
  • der Zeitpunkt und Umfang der Erfassung von Vermögenszugängen und Vermögensminderungen,
  • etwaige bzw. unterschiedliche Freibeträge,
  • die Möglichkeit des Verlustausgleichs bzw. des Verlustabzugs,
  • die Höhe der WerbungskostenPauschbeträge und der Vorsorgepauschale,
  • einkommensartabhängige Steuervergünstigungen und Steuerbefreiungen,
  • die Freistellung von der deutschen Steuer aufgrund eines DBA bzw. die beschränkte Besteuerung nach inländischer Einkünfte ab
  • uvm.

Fazit: Es empfiehlt sich also in jedem Fall, bei der Zuordnung und Abgrenzung der jeweiligen Einkünfte im Zweifelsfällen einen versierten StEUerberater hinzuzuziehen und nicht darauf zu hoffen, dass die Finanzverwaltung die selbst vorgenommene Zuordnung schon nicht in Zweifel ziehen werde.


[1] Schmidt/Weber-Grellet EStG § 2 Rz. 8

[2] BVerfG Beschluss v. 19.11.2019 – 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14, NWB HAAAH-39556

[3] BFH Beschluss vom 11.08.1999 – XI R 77/97, BverfG Beschluss v. 18.01.2006 – 2 BvR 2194/99, DStR 2006 S. 555 Nr. 13, NWB DAAAB-80025

[4] Schmidt/Weber-Grellet EStG § 2 Rz. 9 bis 12

[5] Schmidt/Weber-Grellet EStG § 2 Rz. 14

[6] vgl. §§ 2 Absatz 1, 4 Absatz 4, 8, 9 EStG

[7] Schmidt/Weber-Grellet EStG § 2 Rz. 15

[8] Schmidt/Weber-Grellet EStG § 2 Rz. 16

[9] Schmidt/Weber-Grellet EStG § 2 Rz. 18

[10] Schmidt/Weber-Grellet EStG § 2 Rz. 19ff




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