Sparschwein mit roten Herzen

Ist- und Soll-Besteuerung: Unterschied für mehr Liquidität

Beide Begriffe haben mit der Umsatzsteuer zu tun und beschreiben umgangssprachlich die Besteuerung nach vereinnahmten (Ist!) Entgelten in Abgrenzung zur Besteuerung nach vereinbarten (Soll!) Entgelten.

Die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten ist der Regelfall. Jedoch gewährt der Gesetzgeber unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen eine gewisse Erleichterung für die Fälligkeit der Umsatzsteuer.

Dies verschafft Selbständigen und kleinen Unternehmen Liquiditätsvorteile, da sie die Umsatzsteuer nicht vorfinanzieren müssen.

Was ist die Besteuerung nach vereinnahmten (Ist!) Entgelten?

Bei der Ist-Besteuerung wird die Umsatzsteuer erst dann fällig, wenn das Geld tatsächlich auf dem Konto deines Unternehmens gutgeschrieben ist.

Das bedeutet, dass du erst dann Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen musst, wenn du das Geld von deinem Kunden tatsächlich erhalten hast.

Diese Methode ist besonders vorteilhaft für Selbständige und kleine Unternehmen, weil sie hilft, Liquidität zu sichern.

Die Ist-Besteuerung kann nur auf Antrag vom Finanzamt gestattet werden. Dies ist an bestimmte, gesetzlich vorgesehene Voraussetzungen geknüpft:

So darf z.B. dein Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 € betragen haben (§ 20 Satz 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

Was ist die Besteuerung nach vereinbarten (Soll!) Entgelten? 

Bei der Soll-Besteuerung wird die Umsatzsteuer bereits dann fällig, wenn du eine Leistung erbringst und die Rechnung gestellt hast – unabhängig davon, ob dein Kunde schon gezahlt hat.

Das bedeutet, dass du dem Finanzamt die Umsatzsteuer vorstrecken musst, auch wenn du noch kein Geld erhalten hast.

Diese Methode kann für größere Unternehmen vorteilhaft sein, da ihre Kunden in der Regel schnell und zuverlässig ihre Rechnungen zahlen. Denn es belastet natürlich die Liquidität, wenn Zahlung verspätet oder gar nicht kommen.

Die Beteuerung nach vereinbarten Entgelten stellt die gesetzliche Regel dar, die immer dann anzuwenden ist, wenn keine der Ausnahmen zutreffen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG).

Wenn du keinen Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestellt hast, auch nicht konkludent!, musst du die Umsatzsteuer nach den vereinbarten Entgelten berechnen, an das Finanzamt melden und zahlen.

Was ist der Unterschied zwischen Ist- und Soll-Besteuerung?

Der wichtigste Unterschied zwischen Ist- und Soll-Besteuerung liegt im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuer und hat damit eine große Wirkung auf die Liquidität deines Unternehmens.

Bei der Soll-Besteuerung entsteht die Umsatzsteuer im Regelfall im Zeitpunkt der Leistungsausführung, genauer mit Abschluss der Leistung. Auch dann, wenn die Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt wird, ist das Leistungsdatum für die Steuerschuld maßgeblich. Denn der Umsatz muss im Voranmeldungszeitraum des Leistungsdatums gemeldet werden.

Bei Anzahlungen ist eine Besonderheit zu beachten: Hier entsteht die Umsatzsteuer bereits im Voranmeldezeitraum der Zahlung.

Im Rahmen der Ist-Besteuerung kommt es dagegen stets auf den Zeitpunkt der Zahlung an. Daher ist es unerheblich, ob dein Kunde vor oder nach der Leistungserbringung zahlt.

Folgendes Beispiel soll die Umsatzsteuerentstehung bei Soll- und Ist-Besteuerung verdeutlichen:

Unternehmerin Grace führt eine Lieferung am 28.1.2023 an den Unternehmer Finn aus. Am 31.1.2023 verschickt Grace die Rechnung und erhält am 14.2.2023 die Zahlung. – Wann entsteht ihre Umsatzsteuerschuld?

Soll-Besteuerung: Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Januar 2023. In dieser Umsatzsteuer-Voranmeldung muss der Umsatz enthalten sein.

Ist-Besteuerung: Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Februar 2023, da hier der Zahlungseingang ist.

Gilt die Ist-Besteuerung auch für den Vorsteuerabzug?

Der Vorsteuerabzug unterscheidet nicht zwischen Ist- und Soll-Versteuerung.

Für den Vorsteuerabzug ist es allerdings von besonderer Bedeutung, dass eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und die Leistung ausgeführt ist, oder z. B. bei Anzahlungen, dass die Zahlung geleistet ist und die ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Dazu an anderer Stelle mehr.

Wer kann die Ist-Besteuerung beantragen?

Kurz: In den meisten Fällen werden Unternehmer, deren Umsatz im vergangenen Jahr nicht mehr als 800.000 € betragen hat, den Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Ist!) stellen können und auch mit der Gestattung des Antrages rechnen dürfen.

Der dieser Umsatzberechnung zugrundeliegende Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Die Umsatzsteuer muss entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben sein.

Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe aller Umsätze auszugehen, d.h. es sind zu prüfen, wie hoch die Umsätze im letzten Kalenderjahren waren aus

  • Lieferungen und Leistungen
  • Einfuhr von Gegenständen im Inland
  • innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

Außerdem werden Umsätze aus Lieferungen hinzugerechnet, die zu Unrecht als steuerfrei behandelt wurden. Wenn eine höhere als die gesetzlich geschuldete Steuer in einer Rechnung ausgewiesen wurde, wird auch die Differenz zu Lasten des Unternehmers seinem Umsatz hinzugerechnet, um beurteilen zu können, ob die Vorausssetzung“ „Umsatzgrenze“ für die Ist-Besteuerung eingehalten wurden.

In drei weiteren Fällen besteht die Möglichkeit, die Ist-Besteuerung zu beantragen:

  • Unternehmer, die von der Verpflichtung, Bücher zu führen, befreit sind
  • Angehörige freier Berufe (z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater)
  • Juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie nicht freiwillig Bücher führen.

Wenn du unsicher ist, ob der Antrag auf Ist-Besteuerung für dich in Frage kommt, frage deinen Steuerberater!

Wann kann der Antrag gestellt werden?

Der Antrag auf Genehmigung der Besteuerung nach § 20 UStG ist an keine Frist gebunden. So kann der Antrag z. B. auch im Rahmen einer Außenprüfung gestellt werden. Im Regelfall bietet es sich jedoch an, den Antrag auf Ist-Besteuerung bereits bei Gründung des Unternehmens zu stellen. Dies kann im Rahmen des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung erfolgen.

Bild: Soll-/Istverteuerung der Entgelte im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, Abschnitt Umsatzsteuer

Wie erfolgt die Genehmigung und für wie lange?

Die Genehmigung durch die Finanzbehörde erfolgt durch ein gesondertes standardisiertes Genehmigungsschreiben.

Dem Antrag ist grundsätzlich unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Genehmigung erstreckt sich stets auf das volle Kalenderjahr.

Was passiert, wenn der Umsatz des laufenden Jahres …

… die Umsatzgrenze übersteigt?

In Fällen, in denen die Umsatzgrenze von 800.000 € überschritten wird, weist die Finanzbehörde im Regelfall auf Folgendes hin:

„Die Genehmigung zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten erlischt automatisch ab Beginn eines Jahres, wenn der Gesamtumsatz des Vorjahres den Betrag von 800.000 € überstiegen hat.“

In derartigen Fällen ist der Unternehmer gehalten, zum Ende eines jeden Jahres zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG noch vorliegen.

Übersteigt der Umsatz des laufenden Jahres die Umsatzgrenze von 800.000 €, muss der Unternehmer ab dem nächsten Besteuerungszeitraum zur Sollversteuerung wechseln, ohne dass die Finanzbehörde den Unternehmer förmlich mittels Bescheid darauf hinweisen muss.

Beispiel: Überschreiten der Umsatzgrenze

Unternehmer U hat die Genehmigung, die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern. Das Genehmigungsschreiben der Finanzbehörde enthält einen Wegfallhinweis. Der Gesamtumsatz des Jahres 2022 beträgt 550.000 €, der Gesamtumsatz des Jahres 2023 beträgt 900.000 €.

Der Unternehmer muss ab dem Besteuerungszeitraum 2024 ohne Zutun der Finanzbehörde die Umsätze nach dem Prinzip der Sollbesteuerung ermitteln. Dies gilt nicht erst im Rahmen der Erstellung der Umsatzsteuer-Jahreserklärung, sondern bereits im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren (also ab 01/2024).

… die Umsatzgrenze nicht übersteigt?

Ein Antrag auf Ist-Vesteuerung kann auch konkludent gestellt werden. Der eingereichten Steuererklärung muss deutlich erkennbar zu entnehmen sein, dass die Umsätze auf Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden sind.

Das kann sich aus einer eingereichten Einnahmen-Überschuss-Rechnung (nach § 4 Abs. 3 EStG ergeben. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit kann dies jedoch nur dann gelten, wenn für das Finanzamt deutlich erkennbar ist, dass die Umsätze auf Grundlage der tatsächlichen Einnahmen erklärt worden sind.

Hat der Unternehmer einen hinreichend deutlichen Antrag auf Genehmigung der Istbesteuerung beim Finanzamt gestellt, dann hat die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer den Erklärungsinhalt, dass der Antrag genehmigt worden ist.

Mitteilungspflicht des Steuerpflichtigen

Ab dem Besteuerungszeitraum 2019 ist der Unternehmer verpflichtet, in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung mitzuteilen, ob die Steuer nach vereinbarten Entgelten, nach vereinnahmten Entgelten oder in den Fällen nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UStG sogar nach vereinbarten und vereinnahmten Entgelten berechnet wurde.

Bild: Art der Besteuerung in der USt-Jahreserklärung

Wann ist die Rücknahme der Genehmigung möglich?

Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft

Die Genehmigung der Istbesteuerung ist ein begünstigender Verwaltungsakt i. S. des § 131 Abs. 2 AO, der mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden kann, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen und wenn der Widerruf vorbehalten war oder eine der in § 131 Abs. 2 AO genannten Voraussetzungen vorliegt.

Wideruf mit Rückwirkung

Ein rückwirkender Widerruf ist dagegen nur unter den Voraussetzungen des § 130 AO gerechtfertigt. Der Widerruf kann damit auch ab sofort ausgesprochen werden, wenn erst im Laufe des Kalenderjahres, z. B. bei der Steuerfestsetzung, festgestellt wird, dass der Gesamtumsatz des für die Genehmigung maßgebenden Vorjahres mehr als 800.000 € betragen hat.

Achtung bei Wechsel der Besteuerungsart

Beim Wechsel der Besteuerungsart ist nach § 20 Satz 3 UStG zu beachten, dass Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder unversteuert bleiben. Mangels gesetzlicher Regelung können dem Unternehmer beim Wechsel der Besteuerungsart keine besonderen Auflagen gemacht.

Wechsel von der Soll- zur Ist-Besteuerung

Die im Zeitpunkt des Wechsels bereits versteuerten, aber noch nicht vereinnahmten Entgelte für bereits ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen (Forderungen) brauchen bei ihrer Vereinnahmung nicht mehr versteuert zu werden. Dies bedeutet, dass die bereits versteuerten Leistungen im Zeitpunkt des Wechsels nicht korrigiert werden dürfen.

Wechsel von der Ist- zur Soll-Besteuerung

Die im Zeitpunkt des Wechsels noch nicht vereinnahmten Entgelte für vorher erbrachte Lieferungen oder sonstige Leistungen (Forderungen) sind bei ihrer späteren Vereinnahmung noch zu versteuern. Dies bedeutet, dass eine Nachversteuerung der Forderungen zum Zeitpunkt des Wechsels unterbleibt.

Im Ergebnis führt ein Wechsel der Besteuerungsart zum Zeitpunkt des Wechsels weder zu einer Steuererhöhung noch zu einer Steuerminderung von Forderungen.

Rückwirkender Wechsel

Ein rückwirkender Wechsel von der Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung ist bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig.

Unter formeller Bestandskraft ist die Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung zu verstehen, die nach § 164 AO auch in einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bestehen kann.

Aufzeichnungspflichten

In Fällen der Ist-Besteuerung sind Aufzeichnungen erst dann zu führen, wenn der Unternehmer das Entgelt für die vereinbarte Leistung tatsächlich vereinnahmt hat. Der Leistungszeitpunkt ist insoweit unerheblich.

Aber Achtung!!! Ein Unternehmer, der den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich ermittelt, kann diese Pflicht nur durch zusätzliche Aufzeichnungen innerhalb der Buchführung erfüllen, da der Zeitpunkt der Buchung von Ausgangsleistungen (Forderungen) mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuer nicht identisch ist.

Meist wird dann in der Weise verfahren, dass die Umsätze zunächst nach dem Sollprinzip verbucht und dann die die Steuer auslösende Zahlung (und die Bemessungsgrundlage) gesondert erfasst werden.

Die Differenz zwischen der Umsatzsteuer nach dem Soll und dem Ist wird dann bilanzmäßig als noch nicht fällige Umsatzsteuer ausgewiesen.

Nutze die Ist-Besteuerung solange sie dir zusteht

Die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten ist der Regelfall. Jedoch gewährt der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen eine gewisse Erleichterung für die Fälligkeit der Umsatzsteuer. Dies verschafft Selbständigen und kleinen Unternehmen Liquiditätsvorteile, da sie die Umsatzsteuer nicht vorfinanzieren müssen. Diesen Vorteil solltest du nutzen, solange er dir zusteht.


Kommentare

Eine Antwort zu „Ist- und Soll-Besteuerung: Unterschied für mehr Liquidität“

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