Auf Antrag kann dir das Finanzamt gestatten, die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten vorzunehmen (IST-Versteuerung). Dies schont deine Liquidität und trägt ein klein wenig dazu bei, dein Leben als Selbständiger oder Unternehmer zu vereinfachen.
Du kannst dich einerseits an deinen Bankauszügen orientieren, um zu prüfen, welche Kunden in einem Voranmeldungszeitraum deine Ausgangsrechnungen bezahlt haben. Andererseits hilft dir dein Rechnungseingangsbuch, die als Vorsteuer abzugsfähige Umsatzsteuer zu ermitteln.
Auf diese Weise kannst du am Ende eines jeden Voranmeldungszeitraums mit wenigen Klicks deine Umsatzsteuer-Voranmeldung selber erstellen. Auch die jeweilige Umsatzsteuer-Zahllast ans Finanzamt kannst du so fristgerecht entrichten.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Unter welchen Voraussetzungen gewährt das Finanzamt die Ist-Versteuerung?
- 2 Kannst du die Ist-Versteuerung auf einzelne Betriebe beschränken?
- 3 Darfst du die Art der Versteuerung verändern?
- 4 Bis wann kannst du den Antrag auf Ist-Versteuerung stellen?
- 5 Einwilligung gilt für das volle Kalenderjahr
- 6 Widerruf der Gestattung der Ist-Versteuerung wegen Missbrauchs
Unter welchen Voraussetzungen gewährt das Finanzamt die Ist-Versteuerung?
- Antrag: Ein formloser Antrag ans Finanzamt reicht aus. In diesem Fall bittest du das Finanzamt um die Einwilligung, „ab dem Voranmeldungszeitraum xy die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten (Ist-Versteuerung nach § 20 UStG) berechnen zu dürfen„. Bitte vergiss nicht, im Anschreiben auch deine berufliche oder betriebliche Steuernummer und den gewünschten Voranmeldungszeitraum anzugeben, ab dem du die Ist-Besteuerung vornehmen möchtest. Es reicht auch ein konkludenter Antrag. So kannst du z.B. in einer Umsatzsteuer-Voranmeldung deutlich machen, dass du die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten erklärt hast (BFH v. 11.5.2011 – V B 93/10, BFH/NV 2011 S. 1406).
- Persönliche Voraussetzungen: Die Vorschrift setzt in jedem Fall die persönliche Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG voraus.
- Sachliche Voraussetzungen: Nicht jeder Unternehmer kann diese Vereinfachung in Anspruch nehmen, sondern es müssen weitere sachliche Voraussetzungen erfüllt sein:
- dein Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im vorangegangenen Kalenderjahr darf nicht mehr als 600 000 Euro betragen haben,
- du bist von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit,
- du führst Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus,
- als juristische Person des öffentlichen Rechts hast du dich nicht entschieden, freiwillig Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen; auch bist du hierzu nicht gesetzlich verpflichtet.
- Stammdaten: Sobald die Einwilligung des Finanzamtes vorliegt, musst du bitte deine Einstellungen in deiner Buchhaltungssoftware aktualisieren. Denn nur so kannst du erreichen, dass das System ab dem verabredeten Zeitraum die Berechnungen der Steuer korrekt vornimmt.
- Umsatzsteuerschlüsselung. In manchen Softwareprogrammen musst du bitte darauf achten, bei der Buchung von Zahlungseingängen die richtigen Umsatzsteuerschlüssel zu setzen. Nur auf diese Weise können diese Programme die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten oder vereinbarten Entgelten korrekt darstellen.
Kannst du die Ist-Versteuerung auf einzelne Betriebe beschränken?
Beträgt der Gesamtumsatz des Unternehmens (§ 19 Abs. 3 UStG) insgesamt im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als 600.000 Euro, gilt aber für einzelne Betriebe des Unternehmens eine Befreiung von der Buchführungspflicht nach § 148 AO, kann der Antrag auf Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten auf diese Betriebe beschränkt werden (§ 20 Abs. 1 Satz 2 UStG).
Darfst du die Art der Versteuerung verändern?
Möchtest du die Art der Steuerberechnung von Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung) auf die nach vereinbarten Entgelten (Soll-Versteuerung) wechseln, so ist darauf zu achten, dass du die Umsätze nicht doppelt erfasst oder sie unversteuert bleiben (§ 20 Abs. 1 Satz 3 UStG).
Bis wann kannst du den Antrag auf Ist-Versteuerung stellen?
Du darfst den Antrag und auch den Verzicht auf die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nur bis zur formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausüben.
Für die Auffassung der Finanzverwaltung fehlt es allerdings an einer gesetzlichen Regelung, so dass in Zweifelsfragen die Gerichte hierzu angerufen werden könnten.
Einwilligung gilt für das volle Kalenderjahr
Die Einwilligung des Finanzamtes steht unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs und erstreckt sich wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung stets auf das volle Kalenderjahr.
Es handelt sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO zurückgenommen oder widerrufen werden kann.
Widerruf der Gestattung der Ist-Versteuerung wegen Missbrauchs
Nach bisheriger Verwaltungspraxis war die Genehmigung zur Ist-Besteuerung zu versagen oder zu widerrufen, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens durch eine missbräuchliche Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten drohte.
Diese Gefährdung sollte gegeben sein, wenn der leistende Unternehmer dem – regemäßig nahestehenden – Leistungsempfänger Rechnungen zur Erlangung des Vorsteuerabzugs erteilte, dieser die Rechnungen jedoch nicht oder nur mit großem Zeitabstand beglich. Auf diese Weise konnte der leistende Unternehmer im Falle der Ist-Besteuerung keine Steuer oder diese nur verzögert entrichten, während der Leistungsempfänger zeitnah die Vorsteuern erstattet bekam.
Mit der Entscheidung des EuGH, Urteil vom 10.2.2022 – C-9/20 „Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136“ ist diese Verwaltungspraxis obsolet geworden. Unionsrechtlich – so urteilte der EuGH – stehe dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug erst im Zeitpunkt der Zahlung zu.
Ein zeitliches Auseinanderfallen, das durch den Widerruf der Gestattung verhindert werden soll, ist damit unionsrechtlich nicht möglich. Der Leitsatz hierzu lautet:
Falls ein Leistungsempfänger bereits zur Vornahme des Vorsteuerabzugs berechtigt ist, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Besteuerung noch keine Umsatzsteuer entstanden ist, beruht dies umsatzsteuerrechtlich nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Steuerpflichtigen, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung oder Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland (BFH, Urteil v. 12.7.2023 – XI R 5/21; veröffentlicht am 7.12.2023).
BFH, Urteil vom 12.07.2023 – XI R 5/21
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