Reinhard Pietrass im Treppenhaus der Ausstellung Jens J. Meyer im September 2019

Reinhard Pietrass – „Leben ist JETZT“

Für mich war Reinhard Pietrass (20.07.1956 – 12.04.2024) einer der spannendsten Menschen und wichtigsten Gesprächspartner, die mir in meinem Leben begegnet sind.

Ein Mann der unbegrenzten Möglichkeiten und vertanen Chancen zugleich.

Nun ist er – aller Wahrscheinlichkeit nach – in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gestorben wie er gelebt hat: Schnell und unvermittelt.

Leben ist JETZT

Er symbolisiert für mich das LEBEN wie kein Zweiter und nun ist er doch so früh und endgültig gegangen, alle Anzeichen seines Körpers und Warnhinweise seiner Freunde und Wegbegleiter ignorierend, weil er es nicht besser konnte oder wollte.  

Ich habe ihm zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit eine Zeichnung aus Freiburg mitgebracht. Ein Cartoon mit dem Titel „Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot“. Ich denke, das sagt alles! 

Seltsam, über den TOD als solches haben wir nie gesprochen. Aber wir waren zusammen in der Lichtburg, um uns den Film “Der Tod, Sophia und ich anzuschauen. Ich hatte Jahre zuvor das Theaterstück gesehen und später – als meine Schwester Anfang des Jahres im Koma lag – das Buch gelesen. 

Wenn ich die zahlreichen Bilder von uns beiden sehe, fallen mir die die ungezählten und vielfältigen Veranstaltungen ein, die wir gemeinsam besucht haben. In seiner oder meiner Küche stehend muss ich an die endlosen Gespräche und leckeren Essen denken, die unseren Alltag so nett und angenehm abgerundet und unsere Verbundenheit und das Verständnis für einander gestärkt hatten.

Reinhard Pietrass im März 2020

Ich mochte seine Wohnung nicht besonders, aber in seiner Gegenwart habe ich mich immer sehr wohl gefühlt. In seinem Arbeitszimmer voller Skizzen, Utensilien und Ideen haben wir an etlichen Entwürfen zusammengesessen, gebastelt, überlegt und Ideen entwickelt, die dann doch nicht alle umgesetzt und realisiert werden konnten. Wir hätten dies viel häufiger tun und vor allem am Ball bleiben sollen!

6/10tel

Er sprach immer davon, dass wir “nur” eine 6/10tel Beziehung führen würden. Die fehlenden 2×2/10tel waren einerseits den jeweiligen Vorerfahrungen, aber auch und vor allem unserer Unterschiedlichkeit zuzuschreiben.

Wir wussten aber beide die Wertigkeit dieser gemeinsamen 6/10tel zu schätzen und hätten sie nicht missen wollen. Dies gab schlussendlich den Ausschlag dafür, in Essen zu bleiben und nicht doch wieder nach Düsseldorf zurückzuziehen als sich hierzu die Gelegenheit bot. 

Einem wunderbar unbeschwerten Frühling und Sommer 2018 folgten zum Teil schwierige und grenzwertige Erfahrungen, die uns einerseits stärker miteinander verbanden, aber auch immer wieder auseinanderdriften ließen.

Wir haben uns sehr häufig mit den Gründen hierfür auseinandergesetzt und dann wieder beschlossen, das Gemeinsame und Verbindende zu betonen und das uns Trennende zu vernachlässigen. 

So haben wir trotz vieler Differenzen, gegensätzlicher Auffassungen und Überzeugungen den Dialog nie abreißen lassen und es konnte in der wertvollen gemeinsamen Zeit etwas Schönes und Bleibendes entstehen. 

Wir haben trotz ständiger Zeitnot – in Relation zu anderen – sehr viel Zeit miteinander verbracht, viel telefoniert, häufig zusammen oder füreinander gekocht, kleine Auszeiten genommen und auf diese Weise viel Anteil an der Gedanken- und Gefühlswelt des anderen nehmen können.

In der letzten Woche seines kurzen, aber sehr ereignisreichen Lebens hatten wir zweimal ausführlich telefoniert, einmal kam er zum Essen – es muss Montagabend gewesen sein – und am Donnerstag, kurz vor seinem Ableben war es ihm sehr wichtig, dass wir zusammen – im GOA – essen gingen. Er war ganz grau geworden, war beim Friseur. Er erschien mir aufgeräumt und sichtlich zufrieden mit der hinter ihm liegenden, sehr intensiven und nervenaufreibenden Arbeitsphase “20 Jahre Tour de Rü”.

Er freute sich auf die Ausfahrt und all das, was er sonst noch auf den Weg bringen wollte und die Ausflüge, die wir für den Frühling und Sommer geplant hatten.

Eigentlich war es also eine ganz normale Woche. 

Am Freitag hat er dann meinen Anruf, dass ich gut in Stuttgart angekommen sei, nicht angenommen (das war normal), aber auch nicht zurückgerufen (das war nicht normal). 

„Wir verlieren einen Freund“ – Reinhard Pietrass ist tot (msn.com)

Reinhard Pietrass† : IG Rüttenscheid (ruettenscheid.de)

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden

“Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.” Soren Aabye Kierkegaard (1813 – 1855) war ein dänischer Philosoph, Essayist und Theologe. 

In diesem Jahr galt es, die 20. Tour de Rü (Rüttenscheider Oldtimer-Ausfahrt) mit einem besonderen Jubiläumsheft zu würdigen. 16 Hefte durfte er davon gestalten und er hat diese Arbeit geliebt. Er hatte bestimmt auch die anderen vier Ausfahrten im Rahmen seiner Arbeit für die IGR (Interessengemeinschaft Rüttenscheid) begleitet.

Die Email mit dem Lob von Claudio Schlegtendal (Streckenplaner der TdR) zur Qualität des diesjährigen Heftes hatte Reinhard rechtzeitig vor seinem Tod, aber noch vor Erhalt seines gedruckten Heftes, sichtlich stolz und glücklich gemacht.

Er hat in den letzten 3 Monaten zusammen mit den Organisatoren der Ausfahrt, aber auch mit vielen Fahrern diese zwei Jahrzehnte Tour de Rü Revue passieren lassen und sicherlich tausende von Fotos gesichtet, ausgesucht, bearbeitet und sich an die hinter diesen Fotos liegenden Menschen, Autos, Erlebnisse und Gespräche erinnert.

Immer wieder hat er mich dazu angerufen und Anekdoten erzählt oder Gespräche wiedergegeben. Hinter Reinhard lagen also arbeitsame, anstrengende und bewegende drei Monate Arbeit und die Reflexion dessen, was er in dieser Zeit sonst noch alles erlebt haben mag, bevor er für immer seine Augen schloss.

Wir waren auf die eine oder andere Art ständig im Austausch miteinander. In diesen letzten Wochen seines Lebens hat er mich zudem durch meine Erfahrung mit Krankheit, Tod und Begräbnis meiner Schwester begleitet:

Seit Februar 2022 ist dies nun – ihn eingeschlossen – das 5. Mal, das mich ein solcher Schicksalsschlag aus heiterem Himmel trifft.

Während all dieser Wechselfälle meines Lebens war er mir Stütze und Mahnung, das eigene Leben nicht zu vergessen, zugleich.

Ein Leben für Kommunikation und Kunst

In seinen schönen blauen Augen spiegelten sich sämtliche Gefühle, derer ein Mensch fähig ist. Und er hat sie alle durchlebt, durchliebt und durchlitten. Er konnte mit Ihnen lachen und weinen, grollen und schmunzeln. Auch da, ein spannender Mann!

Reinhard Pietrass, März 2020

Manchmal ging sein Blick ins Leere, wenn ihn eine Situation an jemand oder etwas anderes erinnerte. Manchmal konnte er mitten im Satz innehalten, weil er abgelenkt war oder sich ein neuer Gedankenfaden ins eigentliche Gespräch einwob.

Auf diese Weise meanderten unsere Gespräche eigentlich immer quer durch das Universum aller möglichen und unmöglichen Themen. Einem roten Faden zu folgen, fiel uns beiden stets schwer. Und das machte auch – neben anderen schönen Erlebnissen – unsere Zweisamkeit aus.

Und immer wieder hat er mir seinen Werdegang geschildert, seine Erlebnisse und Erfahrungen aus der Kindheit, seiner Schul- und Ausbildungszeit.

Ein Onkel hatte ihn einmal als kleines Kind ins Folkwang Museum mitgenommen und Reinhard berichtete davon, wie sehr ihn dieses Erlebnis, die Erfahrung “Kunst”, beeindruckt und seither geprägt und bestimmt hatte. 

Plötzlich gab es noch etwas anderes als das von Arbeit, Liebe zum eigenen Garten und dem Festhalten an religiöser Beschränkung geprägtem Elternhaus.

Sein Bedürfnis, dieser geistigen und moralischen Enge zu entfliehen, dürfte ihn seine ganze Jugend und eigentlich sein ganzes Leben begleitet haben. 

Einerseits war er sich der elterlichen Liebe bewusst und diese frühe Erfahrung der Rechtschaffenheit war bestimmend für seine wertkonservative Sicht auf’s Leben.

Andererseits wollte er immer Neues, Spannendes, das Leben selbst und direkt erfahren. Er hat sich seine eigenen Grenzen gesteckt und wieder eingerissen um weiter zu kommen als andere.

Im Studium muss er insoweit aufgefallen sein, als dass so mancher Lehrkörper und die Mitstudierenden sich noch Jahrzehnte später an seinen hellen Kopf und wahrscheinlich seine Aufmüpfigkeit erinnern konnten. Er war kein konformer Mensch und das hat ihn neben seinen kommunikativen und kreativen Fähigkeiten zu etwas Besonderem gemacht. 

Nach Abschluss der Realschule und seiner Ausbildung zum Schriftsetzer in einer Essener Druckerei hat er an der Fachhochschule für Gestaltung und später an der Folkwang Uni Grafik- bzw. Kommunikationsdesign studiert. 

Unser letzter gemeinsame Ausflug hatte uns im Februar 2024 ins Gutenberg-Museum in Mainz geführt und es hat Spaß gemacht, ihn in seinem Element zu beobachten.

Zeit seines Lebens sollten ihn seine Buchstaben – die Typografie – begeistern. Er hatte im Jahr 2021 selbst einen Blog hierzu starten wollen, der zwar online ist, von ihm jedoch nie bespielt wurde. Ich fand den Namen „Typoguru“ damals doof, aber seine Idee genial. Er hätte soviel zu erklären gehabt.

Das Studium brachte er nie zu Ende, zu spannend und verlockend waren die Angebote aus der Industrie Geld zu verdienen. Die genauen Daten können sich wohl aus seinen Zeugnissen als auch seinen Rechnungen und Aufzeichnungen ableiten lassen, tun aber an dieser Stelle und auch sonst nichts mehr zur Sache.  

Die Studienzeit hat ihm offenbar ganz viele neue und vor allem andere Blickwinkel des Lebens gezeigt und Erfahrungen machen und Erlebnisse auskosten lassen und er wird sich diesem Leben mit Haut und Haar verschrieben haben.

Im Laufe der gemeinsamen Zeit habe ich über ihn immer wieder Menschen kennengelernt, die ihn aus dieser Zeit kannten und davon (Menschen, Erfahrungen und Erlebnisse) gibt es sicherlich noch eine ganze Reihe mehr. 

Wichtig ist und bleibt, wie sehr er seinen Beruf als Kommunikationsdesigner geliebt hat und wie sehr er die Anerkennung, die er über seine Arbeiten und Entwürfe ziehen konnte, genossen und sicherlich auch als Ausgleich zu anderen, weniger schönen Erfahrungen gebraucht hat.

Und natürlich hat er wie alle Ruhrgebietsgewächse seine Heimatstadt Essen mit ihrem beliebten und belebten Stadtteil Rüttenscheid geliebt. Für beides hat er sich gerne und mit viel Herzblut engagiert.

Reinhard Pietrass, Willi Thomczyk und Marie Deutschewitz, Oktober 2019

Das nicht immer gemeinsame Verständnis für Kommunikation und Kunst diente unseren Gesprächen als Anker und viele gemeinsame Besuche von Galerien und Ausstellungen der Entspannung.

Wie die vielen Jahre zuvor, hatten wir uns das Wochenende für die diesjährige Kunstmeile RüArt: IG Rüttenscheid (ruettenscheid.de) vorgemerkt. (2024)

Die Idee zu einem Artikel bzw. dem Foto von Reinhard mit 2 Packungen Spaghetti und einer Toilettenrolle gegen Auftrag entstand im ersten Lockdown nach einem gemeinsamen Abendessen in seiner Küche: EMG startet Plattform für Essener Geschäfte und Restaurants (waz.de). (2020)

Das Manuskript zu Kreativ in Rüttenscheid liegt seit 2018 in einer Schublade: Rüttenscheid soll mehr sein als Gastro und Shopping (waz.de). (2018)

Diesen Artikel aus der WAZ hatte er mir zusammen mit den hier erwähnten alten Plakaten gezeigt, Designer Pietrass erinnert sich an berufliche Wurzeln (waz.de) (2014)

Viele seiner Bilder schmücken heute noch unsere Büros: Typo trifft Foto (waz.de) (2011)

Höhen und Tiefen

Er war ein Mann der Widersprüche. Sein Leben war geprägt von Neuanfängen und Wechseln, von Höhen und Tiefen, von Licht und Schatten.

Der frühe Tod seiner Eltern machte etwas mit ihm. Die Gründung seiner ersten Agentur „TriSign“ zusammen mit dem damaligen Partner wurde mit Erfolg belohnt und brachte viel Spannung, Freude und Arbeit mit sich. Die Begegnung mit seiner späteren Frau, die Gründung seiner Familie, die vielen Ohs und Ahs, die in jeder Familie das Blut zum Kochen oder zum Gefrieren bringen. All das hatte er im Kopf und hat es immer und immer wieder erzählt.

Er hat auch vom Bruch mit seinem Partner und der Trennung von seiner Frau berichtet, den Schwierigkeiten und Herausforderungen, denen er sich in dieser Phase seines Lebens ausgesetzt sah, weil er nicht den Anschluss in seiner Branche verpassen und sich weiteren Herausforderungen stellen wollte.

Er konnte anfänglich als Einzelkämpfer in seiner eigenen Agentur, die er unter dem Namen pietrassdesign betrieb, an die Erfolge von TriSign anknüpfen, doch als schließlich in kurzem Abstand zwei seiner wichtigsten Kunden fusionierten und ein weiterer Kunde mit Empfehlungspotential wegbrach, konnte er die auf einmal entstandene Ertragslücke nicht auffangen. Es folgten traurige Erfahrungen, mit denen er nicht gut umzugehen verstand.

Ich denke nach all dem, was ich heute über ihn weiß, dass er alle Höhen und Tiefen, die das Leben in dem 00er Jahren mit sich brachte, bis zum letzten Wimpernschlag eines gefüllten Tages ausgekostet oder durchflucht hat und manch‘ notwendige Entscheidungen zu spät wahrhaben wollte.

Seine Wegbegleiter aus dieser Zeit, die ihm bis heute zur Seite gestanden haben, wüssten viele aufschlussreiche Details aus dieser Zeit zu berichten.

Ich hatte schon in den 90er Jahren nicht mehr viel bis gar nichts mit Werbung zu tun und mich in den 00er Jahren fast nur noch mit meiner Ausbildung zum Steuerberater, dem Auf und Ab meiner eigenen Beziehung und der Entwicklung der Kanzlei befasst. 

Aus der Vogelperspektive und in der Rückschau betrachtet und von ihm auch so realisiert, war die Trennung von seinem Partner das auslösende Moment für seine wirtschaftliche Misere und der Grund für alle sich hieran anschließenden Probleme, von denen er sich nicht mehr erholen sollte.

Kampf gegen Windmühlen

Seinen Aufzeichnungen, die ich gefunden habe, konnte ich entnehmen, dass er sich des negativen Zusammenspiels zwischen negativem Stress und gesundheitlichen Problemen, die sich damals (schon 2005) in Schlaflosigkeit und permanenter Müdigkeit geäußert haben müssen, sehr wohl bewusst war.

Ich habe viele Insolvenzbiographien dieser Zeit immer wieder hinterfragt, um die auslösenden Momente zu begreifen, frühzeitig zu erkennen und unsere Mandanten wirkungsvoll unterstützen und schützen zu können. 

Wer in einer solchen Situation steckt, weiß sich häufig nicht zu helfen, hofft immer auf einen glücklichen Zufall und eine Verbesserung der Ausgangslage und hat stets Angst, sich zu offenbaren. Häufig kostet wirkungsvolle Hilfe Geld, das lieber für private oder vermeintlich wichtigere Dinge und Genussmomente ausgegeben wird. Die Spirale nach unten dreht sich dann irgendwann immer schneller und ist ab einem gewissen Punkt nicht mehr aufzuhalten oder gar umzudrehen.

Spätestens seit Februar 2022 wollte Reinard sich nur noch den schönen Dingen im Leben widmen und sich selbst und vielleicht auch seine privaten Beziehungen nicht durch negative Erfahrungen und Gespräche belasten. Er wollte mit den Seinen ins Reine kommen, sich erklären, eine gute Zeit mit ihnen verbringen.

Heute weiß ich, das es mein Fehler war, ihn nicht zum richtigen Aufräumen gezwungen zu haben. Es wäre vieles vielleicht ganz anders gelaufen. Oder auch nicht. Wer weiß.

Ecce homo!

Ein Bild, das ihm offenbar sehr gefiel und dass er mir bei jedem unserer zahlreichen Besuche im Folkwang Museum immer wieder zeigte, aber entgegen seiner eigenen Gewohnheit niemals erklärte, ist das Bild „Ecce Homo“ von Honoré Daumier.

Ich beginne es gerade erst zu verstehen, warum es ihm gefallen haben könnte. Denn es waren sicherlich nicht die Brauntöne, in denen das Bild gehalten ist, die ihn ansprachen; er liebte gelb, rot und pink und natürlich orange. Zu schade, dass ich es jetzt erst begreife.

In den letzten Tagen habe ich sehr viel über ihn nachgedacht, viele Bilder geschaut, mit Menschen gesprochen, die ihn oder mich besser kannten bzw. kennen. Es hilft etwas, mit der Situation und meiner Trauer umzugehen. 

Es tut gut, die Bilder von und mit ihm noch einmal anzuschauen, Gespräche mit Leuten, die ihn von früher kennen, zu führen und immer mal wieder inne zu halten und an ihn und sein herzliches und so verletzliches Wesen zu denken.

Und im Kopf zu behalten, dass die Leitplanke seines Lebens der letzten 20 Jahre das JETZT und die unmittelbare ZUKUNFT waren, obwohl er so häufig auch von der Vergangenheit gesprochen und diese noch einmal durchlebt hat.

Und dass ihm seine Familie – hier natürlich seine Kernfamilie – besonders wichtig war und er Menschen immer den Vorrang gegenüber materiellen Sachen oder Sachverhalten gab. 

Und dass er in dem Moment tiefer Befriedigung und sicher im Einklang mit sich und seinen nächsten Mitmenschen und Mitstreitern gestorben sein muss. 

Und dass er doch so sehr fehlen wird als Freund und Partner, als Kritiker und Ratgeber, als Grübler und Spötter und mit all dem, was ihn wirklich ausgemacht hat: Die Freude am Leben!

Reinhard Pietrass, 25.03.2020
Reinhard Pietrass, März 2020

Die Gedanken sind frei

Anläßlich des 60. Geburtstages seines Schwagers habe ich Reinhard das Lied „Die Gedanken sind frei“ im November 2023 das erste Mal singen hören. Er stach mit seiner klaren Stimme deutlich heraus und mir schien, dass er Text und Melodie sehr gut kannte. Ich kenne es auch, aber ich hatte mir zuvor nie Gedanken dazu gemacht.

Dieses Stück wird nun auch auf seiner Beerdigung am 26.04.2024 gespielt und ich glaube, dies hätte ihm gefallen.

Interessant ist die Geschichte des Liedes. Text und Melodie des politischen Volkslieds Die Gedanken sind frei stammen aus der Zeit vor 1800. Die heute gesungene Textfassung basiert auf Hoffmann von Fallerslebens Überarbeitung (1842):

Musiknoten zum Lied - Die Gedanken sind frei
Quelle: Die Gedanken sind frei (1842)

Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei,
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.

Ich denke, was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.

Ich liebe den Wein,
mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein
am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine
bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei:
die Gedanken sind frei.

Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei.

Drum will ich auf immer
den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
die Gedanken sind frei.

In diesem Sinne: Ruhe nun in Frieden. Leben ist JETZT.

Reinhard Pietrass, am 31.12.2023 in Den Haag

Leben ist Veränderung. Wissen schafft Freiheit. Steuern ist Leben. Auf seine Art hat er genau nach diesen Grundsätzen gelebt … .

 


Kommentare

5 Antworten zu „Reinhard Pietrass – „Leben ist JETZT““

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  4. […] ist jetzt“ – Reinhard Pietrass hat mir gezeigt, dass das JETZT Vorrang vom dem MORGEN hat – nicht nur für diese Einsicht bin […]

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