Mitte Juni 2024 hat das Finanzgericht in einem Klageverfahren zur Steuerlichen Liebhaberei im Gewerblichen Grundstückshandel zugunsten unseres Mandanten entschieden.
28 Jahre nach Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels bestätigte das Gericht nun unsere Ansicht, der Steuerpflichtige hätte nicht anders handeln können als er dies getan hatte. Folglich ging der Vorwurf der Liebhaberei und alle damit einhergehenden Rückforderungen durch das Finanzamt ins Leere.
Dieser glückliche Verfahrensausgang war sicher nicht absehbar, als wir 2017 in den Fall eingestiegen sind. Umso schöner, dass wir nun in allen Punkten Recht behielten und sich das Finanzamt mit seiner wenig plausiblen Überzeugung nicht hat durchsetzen können.
Warum das Verfahren über den entschiedenen Einzelfall hinaus für dich von Bedeutung ist, erkläre ich in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Liebhaberei im Steuerrecht?
Als Liebhaberei werden im Steuerrecht Tätigkeiten eingestuft, die sich zwar rein äußerlich den Einkunftsarten im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG zuordnen lassen, aber nicht Ausdruck eines wirtschaftlichen, auf die Erzielung von positiven Erträgen gerichteten Verhaltens sind. Sie werden also aufgrund privater Neigungen und damit aus persönlichen Motiven ausgeübt. Die hieraus resultierenden Einkünfte sind nicht steuerbar, negative Einkünfte können nicht mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten ausgeglichen werden.
Liebhaberei im Steuerrecht | EStG § 15 Abs. 2 Satz 1
Geprüft wird die Absicht des Steuerpflichtigen, im Rahmen eines Gesamtplans über längere Zeit positive Einkünfte, also einen Totalgewinn oder Überschuss zu erzielen und damit sein Streben nach einer (Betriebs-)Vermögensmehrung.
Grundsätzlich darf ein Steuerpflichtiger darauf vertrauen, dass ihm die Gewinnerzielungsabsicht nicht abgesprochen wird. Sollten sich jedoch Verluste anhäufen, steigt das Finanzamt in der Regel nach 3 Jahren in eine zweistufige Prüfung des Liebhabereibegriffes beim Steuerpflichtigen ein.
- Stufe: Die objektive negative Ergebnisprognose hinterfragt, ob der in Frage stehende Betrieb grundsätzlich dazu geeignet ist, Gewinne zu erzielen, also ob eine Gewinneignung vorliegt.
- Stufe: Die subjektive Prüfung zielt auf die Feststellung einer Gewinnerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen ab und hinterfragt – vereinfacht-, ob dieser das Gewerbe bei anhaltenden Verlusten aus privater Motivation unterhält.
Die Frage nach der Liebhaberei im Steuerrecht prüfen wir im Erstgespräch und alljährlich im Rahmen der Einkünfte- bzw. Gewinnermittlung vor der Erstellung einer jeden Steuererklärung.
Warum ist das Verfahren bedeutsam?
Es liegt auf der Hand, dass der positive Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens für den Mandanten nach all den Jahren der Unsicherheit alleine schon aus wirtschaftlichen Gründen besonders wichtig war, denn bei Unterliegen hätte er einen hohen 6-stelligen Betrag Steuern an das Finanzamt zurückzahlen müssen.
Das Verfahren ist für dich über den entschiedenen Einzelfall hinaus auch aus anderen Gründen bedeutsam:
Finanzgericht betrachtet den Einzelfall
Für die Fortentwicklung der Rechtsprechung hatte das Verfahren keine Bedeutung, da alle im konkreten Verfahren aufgeworfenen Fragen bereits zuvor höchstrichterlich verhandelt und entschieden waren. Folglich wurde die Revision nicht zugelassen.
Klage wäre vermeidbar gewesen
Das bedeutet aber auch, dass die Vorberaterin exakt die gleichen Fragen durch eine gründliche Beschäftigung mit ihrem Mandanten bereits 1996 hätte selber aufwerfen können und mit ihm rechtzeitig diskutieren müssen. Sie hätte ihm viel Geld, noch mehr Sorgen und manche Ängste ersparen können.
Vertragsprüfung als Investition in Sicherheit
Du erkennst in diesem Verfahren, wie wichtig es ist, dass du dich rechtzeitig mit einem nicht alltäglichen Vertrag befasst, bevor dich wirtschaftliche Probleme dazu zwingen.
Das gilt insbesondere vor der Übertragung von Grundstücken oder Gesellschaftsrechten und auch vor der Vereinbarung langfristiger Verbindlichkeiten – welcher Art diese Verträge auch sein mögen.
In der Regel werden alle Verträge mit weitreichender Bedeutung vor einem Notar geschlossen, auch das ist ein wertvolles Indiz für ihre Bedeutsamkeit.
Ein Notar wird dich in der Regel aber nicht steuerrechtlich beraten können, daher macht es Sinn, den Vertragsentwurf von einem Steuerberater gegenlesen zu lassen.
Nähe im Mandat ist sinnvoll investierte Zeit
Für uns als Beteiligte war das Verfahren auch deshalb so wichtig, weil es unser eigenes Selbstverständnis im beruflichen Alltag – die Mandanten zeitnah über die Folgen ihres Tuns aufzuklären – bestätigt.
Unsere Strategie ging auf
Außerdem freut es mich natürlich, dass unsere verfahrensrechtliche Strategie in diesem Fall so erfolgreich war.
Denn als ich Ende 2017 vom verfahrensführenden Juristen als steuerliche Expertin hinzugezogen wurde, war der Fall bereits 20 Jahre lang vom Steuerpflichtigen, dem Vorberater, aber auch von den Finanzbehörden völlig falsch eingestuft und beurteilt worden.
Die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall aufarbeiten und für den Steuerpflichtigen entscheiden zu können, erschien mir am Anfang sehr gering.
Wir hatten allerdings auch nichts mehr zu verlieren und so startete eine sehr interessante, schwierige und im Ergebnis sehr befriedigende und von Erfolg gekrönte Zusammenarbeit.
Hintergrund: Was war bis 2017 passiert?
Der Steuerpflichtige hatte im Jahr 1996 begonnen, Immobilien fremdfinanziert zu erwerben, um sie kurze Zeit später wieder verkaufen zu wollen. Dies war der Einstieg des Mandanten für den gewerblichen Grundstückshandel. Die erkannte die Beraterin zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht.
Er rechnete mit hohen Spekulationsgewinnen, die in seine Altersversorgung einzahlen sollten. Die Auswahl der Immobilien, wie auch die der Vorberaterin erwies sich jedoch im weiteren Verlauf als wenig glücklich.
Bereits in den ersten 5 Jahren zeigte sich, dass die Wertentwicklung der angeschafften Immobilien sehr zu wünschen übrig ließ und ein Abverkauf nur mit Verlust würde erfolgen können.
Ohne weiteres Zuwarten, ohne gezielte Objektentwicklung, ohne Nachinvestition und ohne Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen und objektspezifischen Lage bestand wenig Hoffnung auf eine nachhaltig positive Entwicklung der Ertragssituation.
Im Gegenteil, die hohe Zins- und Tilgungslast wurde zunehmend existenzbedrohend. So kam eine konzentrierte – eigen- oder fremdfinanzierte – Sanierung, Renovierung und Entwicklung der Objekte nicht in Frage und Abverkäufe einzelnder Wohnungen konnten zwar kurzfristige Liquiditätsengpässe schließen, aber nicht zu einer insgesamt positiven Ertragsentwicklung beitragen.
Während der Eigentümer in dieser Situation nichts anderes mehr tun konnte, als abzuwarten und sich alternativ um den Verkauf aller Wohnungen im Gesamtpaket zu kümmern, taten die Vorberaterin und auch das Finanzamt zunächst einmal gar nichts.
Das Finanzamt stellte im Jahr 2010 während einer Steuerprüfung für die Jahre 2005 bis 2008 sogar gänzlich falsche Fragen und die Vorberaterin sah weiterhin geflissentlich darüber hinweg, dass sie spätestens jetzt den Steuerpflichtigen mit Nachdruck über die im Raum stehenden Risiken hätte aufklären müssen.
Erst als im Jahr 2017 eine junge Finanzbeamtin die weitere Verlustverrechnung im Veranlagungsjahres 2016 mit dem Hinweis auf Liebhaberei im gewerblichen Grundstückshandel ablehnte und in Folge die bereits durchgeführte Verlustverrechnung in allen noch offenen Fällen in Aussicht stellte, kam Bewegung in den Steuerfall.
Der Steuerpflichtige selbst hat nach Scheitern einer letzten Verkaufsverhandlung im Frühjahr einsehen müssen, dass es wenig Sinn machte, weitere Investoren zu suchen und – schlussendlich den Gewerblichen Grundstückshandel zum Ende des Jahres 2018 eingestellt bzw. die Aufgabe gegenüber dem Finanzamt erklärt.
Erste Hilfe: Vorgehen mit Bedacht
Unsere Aufgabe bestand also zunächst einmal darin, verfahrensrechtlich Erste Hilfe zu leisten:
Wir haben als erstes alle für den Mandanten relevanten Verfahren offen gehalten, hierfür rechtswahrende Einsprüche formuliert und fristwahrende Anträge gestellt:
Die Jahre bis 2008 sowie das Veranlagungsjahr 2015 waren bereits – das letzte mit einem kleinen Gewinn aus Gewerbebetrieb, dem Grundstückshandel, – bestandskräftig veranlagt; die Veranlagung für die Jahre 2009 bis 2014, 2016 und 2017 waren hingegen noch offen, d.h. also in Arbeit.
Alsdann haben wir alle relevanten Geschäftsvorfälle seit Beginn – im Jahr 1996 – aufgearbeitet. Parallel dazu haben wir Steuerbescheide und Prüfungsfeststellungen sowie die zugehörigen Gewinnermittlungen nebst Akten sowie den Schriftverkehr gesichtet und außerdem Akteneinsicht beim Finanzamt beantragt.
Daneben haben wir die Literatur auf der Suche nach unsere Argumentation stärkenden und schwächenden Urteilen durchforstet, mögliche Beweise (Kaufverträge, Schriftverkehr, Berechnungen) herausgesucht, ausgewertet und aufgearbeitet sowie die Klage so vorbereitet, dass wir auf jedes Argument eingegangen sind und die Tatbestände haben belegen können.
Dies klingt nach unendlich viel Arbeit und das war es auch für alle Beteiligten.
Einspruch, Einspruchsentscheidung und Klage
Vor Einreichung der Klage zur Einleitung des gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens hatten wir uns insgesamt zwölf Monate – vergeblich – bemüht, das Finanzamt im Einspruchsverfahren, also dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren, Gehör zu verschaffen.
Das Finanzamt wollte oder besser: konnte auf keines unserer Argumente eingehen. Der zuständige Sachbearbeiter in der Rechtsbehelfsstelle erklärte uns auf Nachfrage ganz offen, dass er dies aus Gründen der Qualitätssicherung nicht dürfe.
Also bestand keine Möglichkeit, dass dem Einspruch durch Änderung der Steuerbescheide abgeholfen worden wäre.
So haben wir schließlich die Erteilung einer abschlägigen Einspruchsentscheidung verabredet.
Diese war als Abschluss des im Vorfeld unerlässlichen Einspruchsverfahres erforderlich, um mit einer Klage vor dem Finanzgericht das Verfahren fortsetzen zu können.
Hilfreich: Grundlagen und Tugenden
Abgesehen davon, dass wir nun auch wieder ganze 5 Jahre auf die Entscheidung des Gerichtes warten mussten, zeigte sich in der Verhandlung einmal mehr, dass Verfahren dieser Art nicht nur, aber auch durch die Konzentration auf Grundlagen und die Orientierung an den Tugenden der Kaufleute entscheiden werden:
- VORHER nachdenken, abwägen und entscheiden, hilft wirtschaftliche Fehlentscheidungen und steuerliche Fallstricke zu vermeiden.
- Die Einhaltung von Ordnung und Struktur hilft, Sachverhalte später darzulegen.
- Das Leitbild der ehrbaren Kaufleute für verantwortliches und respektvolles Handeln in der Wirtschaft – und vor Gericht – ist heute wichtiger denn je: Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Integrität.
- Versierte StEUerBeratung ist fundierte Grundlagenarbeit.
- Ein vermeintlich günstiger Preis und hübsches Corporate Design überzeugen daher nicht als Auswahlkriterium für einen guten Steuerberater.
Wenn auch im Vorfeld vieles falsch gemacht wurde, führte schlussendlich unser konzentriertes und systematisches Vorgehen im Einspruchs- bzw. Klageverfahren zum Erfolg.
Das Beherrschen von Grundlagen und der Blick für’s Wesentliche helfen immer, langfristig erfolgreiche Entscheidungen zu treffen.
Ich bin mir sicher, dass die Richter nicht so deutlich im Sinne des Steuerpflichtigen geurteilt hätten, wenn wir die Argumentation -am Gedanken des Gesetzgebers orientiert- nicht so sauber hergeleitet, akribisch dokumentiert und schlüssig vorgetragen hätten.
Am Ende doch keine Liebhaberei.
Im Ergebnis konnten die Richter den Argumenten des Finanzamtes, der Steuerpflichtige hätte den gewerblichen Grundstückshandel nur aus persönlicher Neigung bzw. aus rein privaten Motiven, insbesondere Steuern durch Verlustverrechnung sparen zu wollen, nichts abgewinnen.
Sie nahmen die Sicht eines vernünftigen Menschen ein, der nicht sehenden Auges sein Vermögen verbraucht um mit Hilfe von Verlusten ein paar Prozentpunkte Steuern zu sparen.
Auch konnten sie dem Verlangen des Finanzamtes, negative stille Reserven im Zeitpunkt ihres höchsten Peaks aufzudecken, nichts abverlangen.
Sie anerkannten schlussendlich das Bemühen des Steuerpflichtigen, auch unter sehr ungünstigen Bedingungen Abverkäufe zu tätigen und potente Investoren zu suchen, um die Verluste gering zu halten bzw. den gewerblichen Grundstückshandel insgesamt für sich beenden.
Handeln „wie ein Gewerbetreibender“
Erst als alle Bemühungen des Steuerpflichtigen keinen Erfolg brachten und er im Jahr 2018 – nach einer letzten gescheiterten Vertragsverhandlung – erkennen musste, dass er durch die Fortführung des Betriebes insgesamt keinen Totalgewinn mehr würde erzielen können, hat er den Grundstückshandel – seinerzeit auf mein Anraten – zum 31.12.2018 eingestellt und die Betriebsaufgabe dem Finanzamt auch schriftlich mitgeteilt.
Während das Finanzamt diesen Tatbestand bei der eigenen Beurteilung des Falles bis zuletzt unerwähnt ließ, war genau dieser Umstand für das Gericht entscheidend:
Mit der Einstellung des verlustträchtigen gewerblichen Grundstückshandels hatte der Steuerpflichtige „bewiesen“, dass er „wie ein Gewerbetreibender“ und eben nicht wie ein Privater, der seinen Neigungen oder seinem Hobby nachgeht, gehandelt hatte.
Fazit
Mitte Juni 2024 entschied das Finanzgericht zugunsten unseres Mandanten in einem Verfahren zur Steuerlichen Liebhaberei im gewerblichen Grundstückshandel. Nach 28 Jahren bestätigte das Gericht, dass der Steuerpflichtige korrekt gehandelt hatte, wodurch der Vorwurf der Liebhaberei und die Rückforderungen des Finanzamts hinfällig wurden. Obwohl der Ausgang des Verfahrens bei unserem Einstieg 2017 ungewiss war, konnten wir letztlich in allen Punkten überzeugen. Warum dieses Urteil über den Einzelfall hinaus wichtig ist, erkläre ich in diesem Beitrag.
Das Beherrschen der Grundlagen und der Weg der kleinen Schritte, führen zum Erfolg.
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