Monika Wyrobisch stehend auf einer Brücke auf dem Gelände Zollverein

Für was sind Frauen ab 50 überhaupt noch gut?

Ups, beim Lesen des Thema’s in der #Blogparade50+ von Mia Brummer musste ich erst einmal schlucken!

Ich gehöre ganz offenbar zur angesprochenen Zielgruppe „50+“ – ob ich will oder nicht. Ich fühle mich sehr wohl in meiner Haut, trage glücklicherweise noch lange keine Kleidergröße 50 und finde allmählich auch wieder Zeit, vor der Dämmerung das Büro zu verlassen, um durch den Park in Ruhe nach Hause zu gehen. Aber woher kommt dann das Grummeln?

Gesprächsfetzen ploppen wie kleine Blitze auf, Schlagzeilen und Textpassagen drängen sich vor’s innere Auge, eigene Erfahrungen und Erwartungen melden sich vorwitzig zu Wort:

Kann es wirklich sein, dass eine solche Frage heute noch im Raum steht? Im Jahr 2022?! Ist sie für Männer anders zu beantworten als für Frauen? Spielen Alter, Ausbildung und Lebenserwartung bei den Geschlechtern eine unterschiedliche Rolle?

Willkommen im Club 50+

Welcher Name passt?

„Herbstzeitlos“, „Best“ oder „Silver“-Ager – für mich klingt das alles eher komisch, aber in jedem Fall besser als „Mittelalter“, „FrührentnerIn“, „Generation 50Plus“ oder gar „SeniorIn“ – mal ganz davon abgesehen, dass für mich persönlich das Thema Rente nur als Einkunftsquelle und niemals als Lebensgefühl herhalten wird.

Mit viel Augenzwinkern werden diese Begriffe also in der „best-ager-lounge.com“ von der Autorin, Simone Holly-Weidensee, lustvoll auf’s Papier, besser den Bildschirm, gebracht. Im Beitrag wird schnell deutlich, dass sie vor Lebensfreue sprüht und folglich andere Worte sucht und findet [1].

Da ich ihr positives Lebensgefühl teile, belasse ich es in diesem Zusammenhang bei diesem Verweis und widme mich den Fragen, die mich aktuell viel mehr beschäftigen.

Generation 50+

Geboren im November 1965 gehöre ich nicht im eigentlichen Sinn zur so genannten BabyboomerGeneration der Jahrgänge 1950 bis 1964, deren Mitglieder zu Zeiten stark steigender Geburtenraten nach dem zweiten Weltkrieg geboren wurden: Beinahe 1,36 Millionen Babies kamen damals in Deutschland zur Welt, verglichen mit einer Zahl von 795.492 Kinder im Jahr 2021 eine ganze Menge. Die letzten Vertreter der Babyboomer-Generation werden in den kommenden Jahren wieder aus dem Arbeitsmarkt austreten – einige sind bereits heute im Ruhestand.

Spätestens dann werden sich die einen mit der unbequemen Thematik „Rente [2]“ und die anderen mit der noch unbequemeren Wahrheit „Fachkräftemangel [3]“ befassen müssen.

Die Babyboomer-Generation ist die erste Generation, die im Zuge des Wirtschaftswunders die Vorzüge der massenhaften Produktion von Gütern, wie Autos und Kühlschränke, kennenlernte. Ihre Prägung ist vor allem durch Wirtschaftswachstum und sich schnell verbessernde Lebensumstände gekennzeichnet [4].

Diese Prägung und Haltung wird zu Recht immer kritischer gesehen und die 17 Ziele für eine nachhaltige Transformation unserer Welt fordern von allen Beteiligten ein Umdenken.

Erinnerung an überfüllte Klassenzimmer und Zugehörigkeit zur Masse

Im Jahr 2014 teilt Stefan Willeke in seinem Artikel Geboren 1964 (deutschland.de) seine Erinnerungen an überfüllte Kinder- und Klassenzimmer, eine mehr oder minder sorgenfreie Schul- oder Studienzeit, den stressfreien Umgang mit dem Begriff der Masse. Er beschreibt das Gefühl des Zutrauens, das sich in den optimistischen 70er-Jahren entwickeln konnte.

Dieses „sich-aufgehoben-fühlen“ in der Masse beschreibt auch Jochen Arntz, der wie ich 1965 geboren wurde und über „Deutschlands stärksten Jahrgang“ ein Buch geschrieben hat. Er erinnert sich wie ich: „Mehr als 30 Kinder in einer Klasse, im Freibad eine halbe Stunde anstehen, um auf den Dreier zu kommen, und gemeinsam mit sehr vielen anderen nach einer Lehrstelle oder einem Studienplatz zu suchen – das verbindet nicht nur 1964er, sondern alle Jahrgänge vom Anfang bis zum Ende der 1960er-Jahre.“

Jochen Arntz beschreibt die 64er als Glückskinder, gut ausgebildet und meist auch halbwegs gut situiert. Sie haben selbst keinen Krieg erlebt, keine materielle Not, stattdessen ein eher sorgenfreies Leben [5]. Aber ist das auch so im Alter?

Aktiv und leistungsfähig, aber häufig von Armut bedroht

Die Babyboomer Generation ist deutlich fitter als ihre Eltern-Generation und möchte auch im Alter noch gebraucht werden. Die neuen Alten sind aktiv, leistungsfähig und häufig aber auch von Armut bedroht [6]; dies gilt insbesondere für Frauen, wenn sie weniger gut versorgt sind.

Steigende Lebenserwartung verändert den Blick auf das Altern

Durch die in den letzten Jahrzehnten rasant gestiegene Lebenserwartung hat sich die Wahrnehmung des Alters verändert. Besonders das Leben der jüngeren Alten werde nicht mehr defizitär gesehen, sei nicht mehr negativ behaftet. Die Phase der Hochaltrigkeit, die mit gesundheitlichen und mentalen Einschränkungen einhergeht, sei mit dem Eintritt ins Rentenalter noch lange nicht erreicht [7].

Geänderte Erwartungshaltung an die Älteren

Damit habe sich auch der gesellschaftliche Blick auf das Alter, auf den Ruhestand, deutlich verändert. Nun verschwinde die Idee vom Alter als Ruhestand ohne Pflichten. Das sehe man auch daran, dass ältere Menschen als aktive und leistungsfähige Bürgerinnen und Bürger adressiert würden, die sich nicht nur ausruhen, sondern die auch was beitragen sollten zur Gesellschaft. Hieraus bildet sich eine beobachtbare Erwartungshaltung, ein zunehmender Druck und Anspruch gegenüber älteren Menschen heraus.

Benachteiligung älterer Frauen

Für die, die diese neue Erwartungshaltung erfüllen könnten, die sich engagieren möchten, wäre das auch kein Problem. Dabei werde aber übersehen, dass die Lebenslagen im Alter extrem ungleich seien. Viele vor allem ältere Frauen seien nicht gut versorgt. Sie könnten sich nicht aussuchen, ob sie aktiv sein wollten oder nicht, weil sie geringfügig beschäftigt weiterarbeiten müssten.

Lebenserwartung ist eine Klassenfrage

Wenn es um die Alten gehe, werde oft mitgedacht, „wenn sie schon länger leben, dann können sie auch mehr leisten“. Dabei gerate aber aus dem Blick, dass Lebenserwartung in Deutschland eine Klassenfrage sei. Bekannt sei, dass Frauen länger leben als Männer. Wenn die Frauen aber zu den oberen zehn Prozent gehören bei Bildung und Einkommen, dann leben sie zehn Jahre länger als die unteren zehn Prozent. Für niedrigqualifizierte männliche Geringverdiener sinke die Lebenserwartung sogar. Dieser Zusammenhang wird kaum herausgestellt.

Mein Blick auf die Dinge

Ich persönlich kann recht gut mit dem Etikett 50+ leben: Mir geht’s gut, ich mag meine Tätigkeit als Steuerberaterin und freue mich daran, jeden Tag etwas Neues lernen und mit Menschen in Kontakt treten zu können. Privat werde ich mich etwas anders aufstellen wollen als dies in der Vergangenheit möglich war. Damit meine ich aber eher, dass ich mir Auszeiten für mich nehmen möchte, um meinen Hobbies und Interessen gemeinsam mit anderen besser nachgehen zu können.

Mein Grummeln im Bauch habe ich nach Beschäftigung mit dem Thema für mich und hoffentlich auch für dich klären bzw. erklären können. Ohne jetzt noch weiter auszuholen, kann ich zwar die Frage für mich als Frau nun beantworten, hinterfrage sie aber lieber im gebotenen Zusammenhang mit wirtschaftlichen Fragen, die Einfluss auf die jeweilige Lebensqualität von Mann und Frau nehmen.

Neben diesem Blogartikel habe ich mir am letzten Wochenende zusammen mit einer tollen Gruppe sehr engagierter MitstreiterInnen unter der Leitung von Dr. Christa Henze und Andreas Guderian die Frage „Was ist Nachhaltigkeit?“ gestellt und werde dies im Laufe der kommenden Monate auch weiterhin tun.

Von den 17 möglichen Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung interessieren mich vor allem die Ziele 4, 5 und 8, die mich ganz bestimmt noch tiefer eindringen lassen in das Thema Frau, aber eben nicht nur.

SGD 4) Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern,

SGD 5) Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen,

SGD 8) Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.

Spannend wird es auch sein, sich mit den erforderlichen Kompetenzen zu befassen, die für die Bildung für nachhaltige Entwicklung erforderlich sind.

 


[1] Best Ager- Warum wir die begehrteste Generation unserer Zeit sind – Best Ager Lounge (best-ager-lounge.com)

[2] Neue Ruheständler – Baby-Boomer gehen in Rente (deutschlandfunk.de)

[3] Fachkräftemangel – Warum Arbeitskräfte fehlen und was dagegen getan wird (deutschlandfunk.de)

[4] Babyboomer | Institut für Generationenforschung (generation-thinking.de)

[5] Die 1964er sind Glückskinder: Deutschlands geburtenstärkstes Jahr – n-tv.de

[6] Die neuen Alten – Aktiv, leistungsfähig – aber oft von Armut bedroht (deutschlandfunk.de)

[7] Soziologin Silke van Dyk von der Universtät Jena im Gespräch mit Benedikt Schulz am 03.04.2016 im Deutschlandfunk: Die neuen Alten – Aktiv, leistungsfähig – aber oft von Armut bedroht (deutschlandfunk.de)

Kommentare

Eine Antwort zu „Für was sind Frauen ab 50 überhaupt noch gut?“

  1. […] Für was sind Frauen ab 50 überhaupt noch gut? […]

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